Fast & Furious 10 - Kinostart: 17.05.2023

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Mit zehn Filmen und einem Spin-Off in zweiundzwanzig Jahren ist ...
 
... „Fast & Furious“ eine der am schnellsten produzierten Filmreihen aller Zeiten. Jeder Autofahrer weiß, hohe Geschwindigkeiten fährt man am besten auf vertrauten Straßen ...
 
It's been a long day without you, my friend
 
Üblicherweise beginne ich Rezensionen mit einem kurzen Überblick über die Handlung. Bitteschön: Vor zehn Jahren hat Dominic Torretos Gang, ... Verzeihung, ... seine „Familie“ in Rio mehrere Fantastilliarden Dollar von einem Drogenbaron gestohlen. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd ist der Drogenbaron draufgegangen. Dessen bisher nie erwähnter Sohn will sich nun rächen. Dazu hat er sich einen Plan ausgedacht, der noch komplizierter ist als jeder Plan jedes Bondbösewichts es je sein könnte. Wesentliche Bestandteile dieses Plans sind jede Menge Autoverfolgungsjagden in unterschiedlichen Teilen der Welt und wer den Rest nicht erraten kann, war in den letzten Jahren nicht oft im Kino ...
 
„Fast & Furious 10“ hat viele Enttäuschungen zu bieten. Für mich persönlich die schlimmste Enttäuschung hat man mir lange vor dem Filmstart beschert. Der Film heißt im englischen Original „Fast X“, also „Fast Ten“. Warum so frage ich, ist niemand bei Universal Pictures auf die Idee gekommen, auf Plakaten oder in Trailern mit dem Wortspiel „Fast-ten your seatbelts“ zu werben? Dieser Film hat 300 Millionen Dollar gekostet, das Marketing-Budget wird nochmal so viel betragen haben, mehrere Hundert Menschen waren an der Produktion beteiligt und keinem von ihnen ist die Idee zum naheliegendsten aller Flachwitze gekommen? Unglaublich!
 
Das völlige Fehlen dieses Kalauers ist beispielhaft für die gesamte Produktion. Selbstverständlich bietet „Fast & Furious 10“ alles, aber auch wirklich absolut alles, was Fans an den Teilen 1-9 gefallen haben könnte. Und noch mehr! Und viel davon! Man wird fast erschlagen von dem Überfluss an Kraftfahrzeugen, Explosionen und explodierenden Kraftfahrzeugen. Es wird geschossen und geprügelt und manchmal wird beim Schießen geprügelt, wenn nicht gerade beim Prügeln geschossen wird. Ständig tut sich etwas auf der Leinwand. Aber nichts davon ist irgendwie originell. Nichts davon ist so etwas Ähnliches wie eine eigene Idee.
 
Die „Handlung“ ist sogar gemessen am Maßstab der Serie lächerlich. Aber schlimmer noch, sie ist nicht einmal neu. Wir hatten schon doch mal einen Bösewicht, der ein Familienmitglied rächen wollte. Das kann doch nicht funktionieren. Die Dialoge sind schauderhaft und auch kein bisschen neu. Kurze Kostprobe gefällig?
 
Achtung Spoiler!
 
Dominic zum Bösewicht: „I have something you don’t“
 
Bösewicht: “Yeah? What?”
 
Dominic: “Family”
 
Klingt vertraut, oder?
 
Dass Zitate wie „One man behind the wheel of a car can make a difference“, „I’m the man who’s going to break your family”, „Nothing is impossible” und irgendwas mit „finish line” und „family” aus dem aktuellen Film stammen und nicht aus einem der neun Vorgänger, müssen mir die geneigten Leser*innen schon glauben. Sicher kann man da nicht sein. Zu ähnlich und zu abgeschmackt klingt das alles.
 
Auch die Action wirkt furchtbar vertraut. Zum wievielten Mal springt jemand in diesem Film mit einem Auto aus einem Flugzeug oder rast ein einstürzendes Bauwerk hinab? Keine Ahnung. An einer Stelle rollt eine gigantische Stahlkugel minutenlang alles zerstörend durch Rom und die Drehbuchautoren rund um Stammautor Justin Lin besitzen doch tatsächlich die Frechheit, eine der Figuren auf die Ähnlichkeit mit dem Tresor in Rio hinweisen zu lassen. Dankeschön, das wäre uns sonst komplett entgangen.
 
Die dramatischen Szenen funktionieren kaum jemals. Und Spannung kann schon mal keine aufkommen, weil es in der Welt von „Fast & Furious“ keine echte Lebensgefahr gibt. Fast jede Figur überlebt selbst schlimmste Unfälle jederzeit. Und selbst wenn nicht, kann sie jederzeit wieder ins Leben zurückkehren. Im Verlauf dieser Serie sind mittlerweile mehr Menschen von den Toten auferstanden als im Neuen Testament. Was soll es uns da kümmern, wenn ein Neunjähriger einen Stunt zeigt, der Zirkusartisten überfordern sollte?
 
Die computergenerierten Szenen bieten auch keine originellen Schauwerte, fallen aber qualitativ stark unterschiedlich aus. Die Flammen auf der Stahlkugel sehen aus wie aus einem billigen Computerspiel. Explosionen überzeugen nur selten. Aber nicht alle computergenerierten Effekte sind misslungen. Vin Diesel sind längst nicht mehr so müde und fett aus wie in früheren Filmen. Irgendwo müssen die 300 Millionen Dollar Budget ja geblieben sein.
 
Auch die Bauten und Kulissen überzeugen selten. Die Computer der „Agency“ stehen in einem Raum, der wie Professor Xaviers Cerebro aussieht, bloß schlechter beleuchtet. Ein Gefängnis am Ende der Welt besteht aus einem dunklen Flur, einer dunklen Kammer und einem Operationssaal mit Partnerliegen. Hier wird mit viel Aufwand nur wenig erreicht.
 
 
And I'll tell you all about it when I see you again
 
Die darstellerischen Leistungen bewegen sich auch im vertrauten Rahmen. Wir gönnen Vin Diesel den Zahltag alle paar Jahre. Es ist ja nicht so, als hätte ihn das Publikum im Lauf der letzten Zeit in einem Film sehen wollen, der nicht zur „Fast & Furious“-Serie gehört. Und nur davon, alle paar Jahre auf ein paar Dutzend verschiedene Arten „I am Groot“ zu sagen, kann der arme Herr Diesel ja auch nicht leben.
 
Leider hat vor mehr als zwanzig Jahren niemand Michelle Rodriguez erklärt, dass dieser eine finstere Blick von ihr sie noch nicht zur Schauspielerin macht. Jetzt ist es natürlich viel zu spät dafür. Und da es in der „Resident Evil“-Reihe für sie nichts mehr zu tun gibt, werden wir auch Frau Rodriguez noch ein paarmal am Steuer eines Kraftfahrzeugs im Kino sehen.
 
Ludacris, Jordana Brewster, Sung Kang und die anderen üblichen Verdächtigen machen was sie immer gemacht haben. Charlize Theron und Helen Mirren sind wieder mit dabei, um Stichworte zu geben. Aus irgendeinem Grund darf auch die bald Hundertjährige Schaupiellegende Rita Moreno über „Familie“ erzählen. Wenn das so weitergeht, spielt in Teil 11 Dakota Johnsons Großmutter Tippi Hedren und der Typ mit, der in Teil Eins den VW Jetta gefahren hat. Und in Teil 12 sehen wir Dick Van Dyke und den Lokführer vom Ende des ersten Films.
 
Halbwegs originell wirkt nur Jason Momoa als durchgeknallter, leicht genderfluider Bösewicht Dante Reyes. Wenn der bärtige Hüne sich nach unzähligen Morden und einem Terroranschlag mit einem koketten „Dante, enchante“ und einem Knicks vorstellt, ist das genau das, was der Serie gefehlt hat. Von ihm hätten wir gerne auch mehr gesehen. Aber wie wir die Macher der Serie kennen, wird uns dieser Wunsch in kommenden Filmen ohnehin erfüllt werden. Und weil ich mit einem Kalauer begonnen habe, gibt es keinen Grund nicht mit einem zu enden: We will see some mo-more of Jason Momoa.
 
 
Fazit
 
Die Macher der Serie täten gut daran, weniger schnell zu fahren und dafür endlich mal abzubiegen, neue Wege einzuschlagen und auch mal andere Routen zu suchen. Zu viel Vertrautes wird irgendwann selbst den größten Fans der Serie langweilig werden.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Louis Leterrier
  • Drehbuch: Justin Lin
  • Besetzung: Vin Diesel, Michelle Rodríguez