The Boogeyman - Kinostart: 01.06.2023

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Es gibt bisher knapp 350 verschiedene Filme nach den Werken Stephen Kings.
 
Was hat der neueste dieser Filme zu bieten?
 
There’s something in my room
 
Die junge Sadie Harper hat es nicht leicht. Nach dem Tod ihrer Mutter hat sie Mühe in der Schule wieder Anschluss zu finden, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern und mit ihrem Vater zu kommunizieren. Der ist Psychotherapeut und hat gerade einen neuen Patienten, der überzeugt ist, seine Kinder wären von einem übernatürlichen Wesen, dem „Boogeyman“ ermordet worden. Kurze Zeit später findet Sadie den Patienten erhängt in einem Wandschrank des Hauses, in dem sie mit ihrer Familie wohnt und in dem der Vater seine Praxis hat. Damit beginnt der Horror aber erst …
 
Als ich vor einigen Jahren über „ES“ berichtet habe, gab es ungefähr 240 Verfilmungen der Werke Stephen Kings. Bei „ES: Kapitel 2“ waren es bereits 300. Mittlerweile liegt die Zahl bei fast 350 Filmen. Von den meisten hat kaum jemand je gehört. Dazu gehören die bisherigen sieben (!) Verfilmungen der Kurzgeschichte „The Boogeyman“.
 
Manche King-Verfilmungen sind gut gemacht, wie z.B. „Das geheime Fenster“ oder „Stark“. Oder sie sind hervorragend gemacht, wie „ES“ oder „Der Musterschüler“. Einige dieser Filme, wie „Misery“ oder „Stand by me“, sind echte Meisterwerke. Aber die meisten sind leider nicht besonders gut. Manche haben nur wenig mit der Vorlage zu tun, wie z.B. „Running Man“. Einzelne Filme haben nichts mit der Vorlage zu tun, sind aber trotzdem gelungen wie der „Der Rasenmähermann“. Bei einigen Verfilmungen, wie „Der Dunkle Turm“ oder der neuen Version von „Carrie“, haben die Macher die Vorlage nicht verstanden. Mit „The Shining“ gibt es sogar ein echtes Meisterwerk, dessen Regisseur die Vorlage nicht verstanden hat.
 
Die achte (!) Version von „The Boogeyman“ ist irgendwo zwischen all den erwähnten Filmen angesiedelt. Das wichtigste vielleicht vorab: der Film ist wirklich gruselig. Es geht das Gerücht, ein erfahrener Filmkritiker in mittleren Jahren hätte während der Pressevorführung bei einzelnen Szenen die Hand vor Augen gehabt. Aber auf Gerüchte sollte man nicht viel geben. Beschäftigen wir uns lieber mit dem Film.
 
Wenn wir den „Boogeyman“ ab der Hälfte des Films zu Gesicht bekommen, ist er wirklich schaurig anzusehen. Im Verlauf des Finales zeigt dieses Wesen dann an einigen Stellen mehr als man vielleicht sehen möchte. Auch wenn ich persönlich in der Hinsicht natürlich noch nie irgendwelche Probleme hatte (bloß nichts auf Gerüchte geben), kann ich es doch nachvollziehen, wenn empfindsame Filmfans während dieser Stellen ihren Blick nicht ständig direkt auf die Leinwand gerichtet halten.
 
Aber im direkten Vergleich mit der Dame aus dem Bild, dem Leprakranken oder anderen Schreckgestalten aus „ES“ oder auch im Vergleich mit allem, was wir vor mehr als vierzig Jahren im Overlook-Hotel zu sehen bekamen, erreicht der „Boogeyman“ nicht die gleiche nachhaltige Wirkung. Der noch recht unbekannte Regisseur Rob Savage tut gut daran, sein Monster nicht zu früh zu zeigen. Das Finale in einem dunklen Keller darf dann auch keine Minute länger dauern, weil die schaurige Wirkung des Anblicks des „Boogeyman“ dann auch schon nachzulassen beginnt.
 
In der ersten Hälfte des Films sorgt auch nicht der Anblick des Monsters für Grusel und Schauer, sondern seine Androhung. Hier macht es sich Regisseur Savage aber ein bisschen sehr leicht. Die Familie Harper bewohnt nämlich eines dieser Häuser, die vor allem in amerikanischen Horrorfilmen so oft zu sehen sind. Schon am helllichten Tag besteht das Innere des Gebäudes praktisch nur aus dunklen Ecken. Nachts wird das alles nur schlimmer, weil ein erfolgreicher Psychiater sein Haus mit höchstens einer Lampe pro Raum beleuchtet, die kaum die Leuchtkraft eines Grablichts hat.
 
Das Lieblingsspielzeug der kleinen Schwester ist eine von innen beleuchtete Kugel, die sie auch mit ins Bett nimmt. Das wundert mich gar nicht. Die Hütte ist so finster, der Vater soll mal froh sein, wenn das Kind nicht mit bengalischem Feuer oder Jupiterlampen kuschelt.
 
Wie in vielen Horrorfilmen geht es auch in diesem Film darum, wie und warum das Monster sich ausgerechnet diese Familie zum Quälen ausgesucht hat und wie man den Fluch wieder los wird. Nach eingehendem, jahrzehntelangem Studium vergleichbarer Filme kann ich jeder Horrorfilmfamilie nur raten, den eigenen Wohnraum ordentlich zu beleuchten.
 
Mindestens eine leuchtstarke Deckenleuchte pro Raum, ein paar Halogenspots an passenden Stellen und die eine oder andere zusätzliche Lichtquelle sollten Boogeyman, Llorana und Co auf Distanz halten. Wenn Kinder leuchtende Kugeln und das Licht des Mobiltelefons brauchen, um sich daheim zurechtzufinden, braucht man sich über die Fluchbelastung des Eigenheims nicht zu wundern. Einfach genug Lampen und Reservebirnen daheim haben und beim Kauf immer auf die Lumenzahl achten. Dann sehen Poltergeister und dämonische Nonnen die hellen Räume und ziehen flugs weiter um schlechter beleuchtete Häuser heimzusuchen. Wer an der Beleuchtung spart, spart an der falschen Stelle.
 
Im Vergleich zu „The Boogeyman“ waren Filme wie „The Batman“ und „Pitch Black“ lichtdurchflutete Feste für die Augen. An einer Stelle betätigt die Heldin den Lichtschalter für den Keller und es tut sich – natürlich – nichts, doch die junge Frau geht trotzdem in den Keller hinunter. Ein früheres Opfer, das bereits Kinder und Partner an den Boogeyman verloren hat, beleuchtet das vom Fluch verwüstete Eigenheim noch immer mit lächerlichen Teelichtern und Kerzen, die bei jeder leisen Bewegung erlöschen. Hier haben es sich sowohl die Drehbuchautoren Scott Beck, Bryan Woods (beide „A Quiet Place“) und Mark Heyman („Black Swan“) als auch Regisseur Savage viel zu leicht gemacht.
 
 
Just don’t say anything
 
Ein bisschen zu leicht hat man es sich auch mit dem Thema des Films gemacht. Die besten Geschichten von Stephen King behandeln neben den offensichtlichen Schrecken immer auch tiefergehende Themen. In „The Shining“ ging es eben nicht nur um ein Spukhotel, sondern auch um Alkoholismus und das Versagen als Vater. „Carrie“ behandelte die erwachende weibliche Sexualität und die Angst davor. In „Misery“ geht es um Sucht und Schreibblockaden. „Stand by me“ vermittelt uns, wie jeder Lebensabschnitt andere Freundschaften bedingt und so weiter.
 
Das tiefergehende Thema von „The Boogeyman“ wird in der allerersten Szene bereits verraten. Für alle, die zu spät ins Kino gekommen sind, wird das Thema während einer Therapiesitzung im Epilog noch einmal laut und deutlich erklärt. Dazwischen wird dieses Thema aber praktisch nicht behandelt. Es wirkt, als hätten sich die Macher nur während der ersten und der letzten Szene an den Subtext ihrer Geschichte erinnert.
 
Und das ist doppelt schade. Denn zum einen ist das tiefergehende Thema der Geschichte viel zu interessant, um so nebenbei abgehandelt zu werden. Zum anderen hätte die durchaus kompetente Besetzung damit ein bisschen mehr zu tun bekommen, als sich bloß anderthalb Stunden vor dem Boogeyman zu fürchten.
 
Die Rolle des Vaters hätte der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sein müssen. Die jugendliche Heldin sollte mit der fehlenden oder nichtfunktionierenden Kommunikation zwischen ihr und dem Vater ebenso zu kämpfen haben, wie gegen den Boogeyman. Aber leider ist die Figur des Vaters kaum mehr als ein reines Handlungselement, bis er uns am Ende noch schnell erklären darf, worum es im Film eigentlich ging. Chris Messina hat in „Argo“ und zuletzt in „Air“ solide Leistungen geliefert. Die rudimentäre Rolle des Vaters gibt ihm leider zu wenig, womit er arbeiten könnte.
 
David Dastmalchian kennen wir als Geschäftspartner des „Ant-Man“ oder zuletzt aus „Dune“. Er hat eine der stärksten Szenen des Films. Aber selbst diese wirkt seltsam „underwritten“.
 
Vivien Lyra war Sandra Bullocks Tochter in “Bird Box” und die kleine Leia in der Serie „Obi-Wan Kenobi“. Sie ist ein wirklich reizendes kleines Mädchen. Aber auch sie bekommt zunächst keine Gelegenheit den Verlust und die Trauer darzustellen, unter der sie leiden muss. Und später darf sie ein paarmal vor dem Boogeyman Angst haben. Den schieren Terror, den das Monster bei einem Kind dieses Alters auslösen muss, bekommen wir aber nicht vermittelt.
 
Die noch recht unbekannte Sophie Thatcher war bisher in einigen Folgen der Serie „Boba Fett“ zu sehen. Sie spielt die ältere Tochter weder als genervte Göre noch als Heldin, sondern angenehm realistisch. Ihre Figur leidet unter der Trauer um die Mutter und dem Verlust ihres Freundeskreises und das Publikum kann beides nachvollziehen. Aber auch diese junge Darstellerin muss gegen ein allzu oft halbgares Drehbuch anspielen.
 
 
Fazit
 
Sicher rangiert „The Boogeyman“ in der oberen Hälfte der langen Liste von Filmen nach Werken von Stephen King. An die wirklich gut gemachten Filme, wie „Das geheime Fenster“ oder „Stark“ reicht der Film aber leider nicht heran. Das Monster wirkt aber sicher gruseliger als die in „Langoliers“.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Rob Savage
  • Drehbuch: Scott Beck
  • Besetzung: Sophie Thatcher, Chris Messina