The Lodge - Kinostart: 06.02.2020

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Eine dysfunktionale Familie in einem eingeschneiten Haus fernab jeder ...
 
... Zivilisation und einer der Bewohner verliert den Verstand. Kommt uns das nicht bekannt vor? Anders als bei „The Shining“ ist aber diesmal der Vater abwesend …
 
The Shining light
 
Eine Reihe von Einstellungen zeigt uns ein Haus von innen. Wir sehen die Einrichtung des Hauses. Wir sehen Gegenstände in dem Haus, aber keine Personen. Und in einer plötzlichen Wendung, mit der die Macher dieses Films beträchtliches Können unter Beweis stellen, erkennen wir plötzlich, was wir tatsächlich gezeigt bekommen haben. Mit diesem ersten kleinen Schockeffekt beginnt der neue Film von Veronika Franz und Severin Fiala.
 
Franz und Fiala haben vor fünf Jahren den beunruhigenden, originellen Horrorthriller „Ich seh Ich seh“ geschrieben und inszeniert. Bei ihrem neuen Projekt war es ihnen so wichtig, einen noch beunruhigenderen, noch originelleren Horrorthriller zu schaffen, dass sie ganz übersehen haben, wie wenig Sinn ihr zusammen mit Co-Autor Sergio Casci verfasstes Drehbuch ergibt. Nicht nur deshalb erinnert dieser Film an Kubricks „The Shining“.
 
Üblicherweise berichte ich in meinen Rezensionen so wenig als möglich über die Handlungen der Filme. Die Handlung ist aber leider der Hauptkritikpunkt von „The Lodge“. Abgesehen davon ist an dem Film fast nichts auszusetzen. Tatsächlich ist fast alles andere an diesem Film überaus gelungen. Die Darsteller zeigen teilweise beeindruckende Leistungen. Kamera, Schnitt und Ton arbeiten auf höchstem Niveau und verleihen dem Film eine zutiefst verstörende Atmosphäre. Die Regie macht fast alles richtig und schafft es immer wieder das Publikum zu erschrecken.
 
Aber das Drehbuch ist leider einfach furchtbar geschrieben. Wenn der Ehemann seiner Noch-Ehefrau am Anfang des Films die schlechten Neuigkeiten auf die denkbar unsensibelste Weise beibringt, mag das noch angehen. Der umgehende Selbstmord der Frau ist natürlich nötig, um die Handlung in Gang zu bringen. Aber danach besteht der Film aus einer langen Reihe von Szenen, in der die handelnden Figuren immer und immer wieder Dinge tun, die kein Mensch im realen Leben so machen würde.
 
Natürlich funktionieren die Geschichten vieler Horrorfilme nur deshalb, weil die handelnden Figuren immer und immer wieder Dinge tun, die kein Mensch im realen Leben so machen würde. Aber „The Lodge“ ist kein Film, in dessen Verlauf die dummen Teenager noch immer zum Vögeln in den Wald gehen obwohl sie wissen, dort treibt sich der Killer mit der Machete herum. Franz und Fiala sind als Filmemacher viel zu gut und ihr Film nimmt sich viel zu ernst, als dass man die sinnlosen Aktionen und Reaktionen der Protagonisten tolerieren könnte.
 
„Wird sie dort sein?“
 
Warum macht sich das kleine Mädchen nach dem Selbstmord der Mutter Sorgen, weil die Mama nun nicht mehr in den Himmel kommen kann? Die Zeiten, als Selbstmörder außerhalb des Friedhofs begraben werden mussten, sind längst vorbei. Selbst der Katechismus schließt das ewige Heil von Selbstmördern nicht mehr aus. Wer hat dem kleinen Mädchen also solchen Unsinn eingeredet? Wir erfahren im Film nie, wie das Kind nur auf diese Idee gekommen sein kann.
 
Was ist mit dem Vater los, der seine Kinder zwingt, Zeit mit der Frau zu verbringen, die zum einen der Anlass für den Selbstmord der Mutter war und zum anderen ganz offensichtlich schwere emotionale und auch gesundheitliche Probleme hat? Und warum wehren sich die Kinder nicht nachhaltiger gegen diese absurde Idee? Der Teenager lehnt die Idee zunächst ab, fügt sich dann aber zwei Szenen später doch in sein Schicksal. Meine Tochter hat in dem Alter mal stundenlang nicht aufgehört auf mich einzureden, weil ich einen längst geplanten Urlaub nicht zwei Tage früher abbrechen wollte, damit sie ihre Freundin sehen konnte.
 
Und was soll der ganze Unsinn, der dann in der Hütte abläuft? Nichts am Verhalten der beiden Kinder ergibt Sinn. Wie dumm ist die junge Frau, um nicht daran zu denken, wem die Mütze in der Hütte wohl gehört haben muss? Und wer sieht sich in einer eingeschneiten Hütte zusammen mit einem kleinen Mädchen „Das Ding aus einer anderen Welt“ an?
 
 
Eine der Figuren spielt einen Streich, der enormen Aufwand und noch mehr Planung erfordern würde. Kein noch so wütender Mensch hätte das alles so weit getrieben. Und kein Mensch hätte das alles so weit treiben können. Was die Figuren in der Hütte anstellen ist schon rein logistisch gar nicht möglich. Wer versteckt denn spurlos sämtliche persönlichen Gegenstände, Nahrungsmittel, Kleidung und Medikamente, lässt aber einen Revolver im Schrank liegen? Wo kommt denn plötzlich die Ausrüstung für einen Stunt her? Und wieso ist sogar ein kleiner Hund zu dumm, bei Kälte zum Haus zurückzukommen?
 
Was wenn wir tot sind?
 
Franz und Fiala konnten sich wohl nicht entscheiden, ob sie einen Film mit übersinnlichen Elementen machen wollten oder nicht. Also haben sie einen Film ohne Übersinnliches gedreht und lassen die Handlung Wendungen nehmen, die in der realen Welt leider nicht möglich sind und keinen Sinn ergeben. Das ist umso ärgerlicher, weil der Rest des Films sehr gut gemacht ist.
 
Kameramann Thimios Bakatakis hat zuvor unter anderem an „The Lobster“ und „The Killing Of A Sacred Deer“, zwei der originellsten Filme von Yorgos Lanthimos, mitgearbeitet. Für den Schnitt ist Michael Palm verantwortlich, der bisher vor allem Dokumentarfilme bearbeitet hat. Zusammen verleihen sie dem Film einen großartigen Look, der fast hyperrealistisch wirkt.
 
Riley Kough („Mad Max: Fury Road“) ist großartig in der Rolle der jungen Frau mit dunkler, nichtaufgearbeiteter Vergangenheit. Um nochmal den Vergleich mit „The Shining“ zu bemühen: Jack Nicholsons Figur war damals von Anfang an durchgeknallt. Kough hingegen spielt hier absolut überzeugend eine Person, die ihre Probleme am Anfang des Films halbwegs im Griff hat und dann in den Wahnsinn getrieben wird.
 
Jaeden Martell hat in „Es“ den Anführer des Clubs der Loser gespielt. Hier muss er zunächst einen trotzig trauernden Teenager darstellen, bevor seine Rolle in der zweiten Hälfte des Films keinen Sinn mehr ergibt. Es ist nicht seine Schuld, wenn wir die Trauer seiner Figur nicht vermittelt bekommen.
 
Auch die junge Lia McHugh kann nichts dafür, wenn ihre Rolle der Mia nicht besser und konsequenter ausgearbeitet wurde.
 
Richard Armitage spielt nach „My Zoe“ wieder den Vater, der einfach nur alles falsch macht. Solche Rollen kann man als Schauspieler nicht sinnvoll gestalten, dagegen kann man nur anspielen. Vielleicht sucht er sich seine Projekte demnächst sorgfältiger aus.
 
Alicia Silverstone hat nach „The Killing Of A Sacred Deer“ wieder nur eine kleine Rolle, in der sie aber großen Eindruck hinterlässt.
 
 
Fazit
 
In Kubricks „The Shining“ hat damals kaum etwas Sinn ergeben. Dafür war die visuelle Gestaltung großartig und die Darsteller haben Erstaunliches geleistet. Ähnliches haben Veronika Franz und Severin Fiala mit ihrem zweiten Spielfilm erreicht. Bloß in einem sehr viel kleineren Maßstab.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Veronika Franz
  • Drehbuch: Severin Fiala
  • Besetzung: Richard Armitage, Riley Keough