Maxxine - Kinostart: 04.07.2024

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Zwei Filmgenres sind nicht unbedingt für große Filmkunst bekannt: Horror und Porno.
 
In „MaXXXine“ geht es um die Herstellung von Horrorfilmen und Pornos. Was mag dabei herauskommen ...?
 
Gimme all your lovin‘
 
Los Angeles, 1985: Einige Jahre nach den in „X“ gezeigten Geschehnissen ist Maxine Minx eine bekannte Pornodarstellerin, will aber unbedingt außerhalb dieser Branche ein Star werden. Dieser Traum scheint zum Greifen nah, als sie beim Casting für die Hauptrolle in der Fortsetzung eines erfolgreichen Horrorfilms überzeugt. Aber noch bevor die Dreharbeiten beginnen, scheint Maxines Vergangenheit sie einzuholen. Ein unseriöser Privatdetektiv verfolgt die Jungschauspielerin und gleichzeitig treibt ein Serienkiller sein Unwesen, der es auf junge Starlets abgesehen hat. Aber Maxine weiß sich zu wehren ...
 
Das erste was jedem Filmfan an „Maxxxine“ auffallen wird: Dieser Film hat einen großartigen Look! Ja, der Film ist die recht flott nach Teil Eins gedreht Fortsetzung eines mit überschaubarem Budget gedrehten Horror-Films (tatsächlich kam in den gerade mal zwei Jahren seit „X“ auch noch das ebenfalls von Ti West gedrehte Prequel „Pearl“ heraus). Aber West kennt nicht nur seine Vorbilder. Er hat auch das Auge eines echten Filmemachers und das Händchen, um mit – wiederum überschaubaren Mitteln – ein realistisch wirkendes Abbild des Los Angeles von 1985 auf die Leinwand zu bringen.
 
Dabei orientiert er sich in den meisten Szenen nicht an den Horrorfilmen dieser Epoche. Nein, wenn seine Heldin in ihrem Mercedes SL durch die Stadt fährt, wirkt es, als wären diese Szenen vor knapp vier Jahrzehnten von Altmeistern wie Walter Hill oder Paul Schrader gedreht worden (niemand kann mir erzählen, dass die Heldin hier zufällig das gleiche Auto fährt wie Richard Gere in „American Gigolo“, nur eben in weiß statt schwarz). In den letzten Jahren haben wir jede Menge Filme gesehen, die in vergangenen Jahrzehnten spielen. Kaum einer konnte den Look und das Gefühl des jeweiligen Jahrzehnts so hervorragend beschwören, wie „MaXXXine“.
 
Damit gelingt Regisseur und Drehbuchautor so ganz nebenbei ein seltenes Kunststück: er hat einen Horrorfilm geschaffen, der auch in den dramatischen Szenen überzeugen kann. Es sind gerade die Szenen zwischen den Slasher-Sequenzen, die diesen Film weit über das Einerlei günstig produzierter Horrorfilme hinausheben. West, der seinen Film wieder auch selbst geschnitten hat, und sein Stamm-Kameramann Eliot Rocket haben zusammen mit den Ausstatter*innen und Kostümbildner*innen einen Film geschaffen, der sehr viel besser aussieht als man erwartet hätte.
 
Das soll nicht heißen, der Film hätte Freunden gepflegten Slasher-Horrors nichts zu bieten. Ich persönlich hätte z.B. darauf verzichten können, so anschaulich und detailliert gezeigt zu bekommen, wie der Absatz einer Damenstiefelette ein paar Hoden zerstören. Aber ich bin ein Profikritiker und weiß, dass es sehr wohl Kenner gibt, die solche und ähnliche Szenen zu schätzen wissen. Daher kann ich den Film auch wegen der Sorgfalt und Kompetenz empfehlen, die bei der Gestaltung seiner Slasher-Szenen zu erkennen sind.
 
 
There’s no business like show-business
 
Aber es sind immer wieder die dramatischen Szenen in denen „MaXXXine“ überzeugt. Wenn die Heldin beim Casting von einer mittelalten Produzentin von oben herab auf ihre Pornokarriere angesprochen wird und eben diese Produzentin, nach einer großartigen Probeaufnahme der jungen Frau ganz nebenbei den Satz „Do you mind taking your top off, so that we can see your breasts“ von sich gibt, erfahren wir viel über das Business, in dem die Heldin ein Star werden will.
 
Das Drehbuch von Ti West ergibt in sich durchaus Sinn, was mehr ist als man von den meisten Horrorfilmen behaupten kann. „MaXXXine“ ist auch einer der wenigen Filme, in denen Filmdreharbeiten halbwegs realistisch gezeigt werden. Es werden z.B. keine ewiglangen Szenen gedreht, die tatsächlich aus einem Dutzend verschiedener Einstellungen bestehen würden. Solche und viele weitere Kleinigkeiten lassen den Film lebendig und realistisch wirken. Für Hardcore-Filmfans liefert der Film zwei oder drei kleine Schmankerl. Mir gefiel vor allem die kurze Szene mit dem Stern von Theda Bara, einem Sexsymbol der Stummfilmzeit.
 
Neben der wirklich sehr guten Arbeit hinter der Kamera, trägt vor allem die Besetzung zur Wirkung des Films bei. Wie auch die Regisseurin des Films im Film, ist sich auch Ti West der Wichtigkeit des Castings bewusst. Erfahrene Profis wie Michelle Monaghan und Bobby Cannavale als Cops oder Giancarlo Esposito als Anwalt/Manager/Problembeseitiger zeigen kompetente Leistungen, die einen weiteren Beitrag zur realistischen und homogenen Wirkung des Films beitragen.
 
Eine hervorragende Idee war die Besetzung von Kevin Bacon als schmieriger Privatdetektiv. Ich habe schon ein- oder zweimal über „scene stealer“ berichtet, Nebendarsteller die in jeder ihrer wenigen Szenen die Stars eines Films an die Wand spielen. Kevin Bacon trägt nicht nur mit seinen Goldzähnen, seinem Akzent und seinem Outfit so dick auf, es ist schon fast zu viel. Aber eben nur „fast“. Und so macht Bacon jede seiner wenigen Szenen zu seinem ganz persönlichen Diebesgut.
 
Elizabeth Debicki konnte bisher weder als Kunstsachverständige in „Tenet“ noch als Hohepriesterin der goldenen „Douchebags“ in den letzten beiden Teilen von „Guardians of the Galaxy“ überzeugen. Hier überzeugt sie in der Rolle der entschlossenen Regisseurin völlig. Ihre Wirkung erinnert an die der jungen Vanessa Redgrave oder Emma Thompson.
 
Mia Goth war bereits das Beste (oder besser gesagt: das einzige Gute) an dem brennenden Mülleimer namens „A Cure for Wellness“, den sein Macher Gore Verbinski vor einigen Jahren aus irgendeinem Grund als Spielfilm in die Kinos gebracht hat. Hier kann sie zeigen, was sie in einem gut gemachten Film zu leisten vermag. Und das ist einiges.
 
Ein Star zu werden hat natürlich auch mit schauspielerischem Talent zu tun, aber vor allem mit Leinwandpräsenz. Man kann die Entschlossenheit der Heldin, endlich ein Star zu werden in jeder Sekunde fühlen und nachvollziehen, weil ihre Darstellerin Mia Goth beides vermittelt. Wer weiß, ob die Hauptfigur Maxine Minx wirklich ein Star werden wird? Ihre Darstellerin Mia Goth hat es spätestens nach diesem Film auf jeden Fall verdient, ein Star zu werden.
 
 
Fazit
 
„MaXXXine“ zeigt uns die Welt des Porno- und Horrorfilms in den Achtzigerjahren. In jeder Hinsicht hochwertig gemacht, wirkt der Film dabei immer realistisch und unterhaltsam. Die Slasher-Szenen sind nichts für zartbesaitete Filmfans.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Ti West
  • Drehbuch: Ti West
  • Besetzung: Mia Goth, Elizabeth Debicki