Küss mich, Mistkerl! - Kinostart: 10.03.2022

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Was hat eine romantische Komödie mit einem billigen Kleinwagen zu tun?
 
Eine Menge, eine ganze Menge …
 
You got me beggin‘ you for mercy …
 
Lucy und Joshua sind im Management eines Verlags beschäftigt und hassen einander. Seit einem Zusammenschluss ihrer beider Firmen sind diese beiden lächerlich attraktiven Singles gezwungen zusammenzuarbeiten und ein Büro zu teilen. Da niemand, der in seinem Leben mehr als eine Handvoll Filme gesehen hat, irgendwelche Zweifel haben kann, dass diese beiden Figuren nach einigen Schwierigkeiten ein Paar werden, geht es in dem Film auch noch um eine leitende Position in der Firma, für die beide in Frage kommen …
 
Ich habe ja vielfältige Interessen. Aber es gibt nur wenige Dinge, die ich richtig mag. Hunde gehören dazu. Dann kommen noch gutes Essen und Autos. Und natürlich Filme. Hunde, Essen, Autos und Filme … Eine Zeitlang gab es da auch noch schöne Frauen. Aber man wird älter. Und reifer. Irgendwann fragt man sich, ob es das alles wert ist. Und außerdem erlaubt es meine Frau nicht (Ich hab gefragt). Also stehen auf der Liste der Dinge, die ich wirklich mag, nun noch Hunde, Essen, Autos und Filme.
 
Die besten Filme schaffen es, den Betrachter zu überraschen. Sie zeigen uns etwas Neues oder zumindest eine neue Sicht auf bereits Bekanntes. „Küss mich, Mistkerl“ schafft es nicht, uns zu überraschen. Dieser Film zeigt uns nichts Neues. Ich will diesen Film nicht mit Hunden oder Essen vergleichen. Hunde sind zu gut dafür und der Vergleich mit Essen würde den Appetit verderben. Verglichen mit Autos ist „Küss mich, Mistkerl“ ein Dacia Sandero. An diesem Fahrzeug ist nur überraschend, dass es Leute gibt, die eine Tonne langweiliges Blech auf Rädern kaufen.
 
Es kann niemand überraschen, wenn die beiden Protagonisten von „Küss mich, Mistkerl“ einander bereits nach zwanzig Minuten Laufzeit zum ersten Mal leidenschaftlich küssen. Ebenso wenig überrascht es, wenn die beiden dann für die nächsten dreißig Minuten aus den dümmsten Gründen nicht zusammenkommen. Und wenn sie dann nach weiteren zehn Minuten kurz zusammenkommen, kommen auch das Missverständnis und die anschließende Krise für niemanden überraschend. Am Schluss kommen die beiden wenig überraschend doch wieder zusammen. Und auch das Problem mit der leitenden Position in der Firma ist plötzlich gar keines mehr.
 
Dacia Sanderos werden lieblos aus billigen Teilen gefertigt. Daher sieht das Innere von Dacias aus, als hätte man es aus Stühlen gefertigt, die man am Einwohnermeldeamt nicht mehr im Wartebereich stehen haben wollte. Diese Autos klingen, als hätte man im Gartenschuppen den Rasenmäher angelassen. Man fragt sich, wer für diese Fahrzeuge Geld nimmt und wer es sich dafür abnehmen lässt.
 
Und so ähnlich ist es auch bei „Küss mich, Mistkerl“. Natürlich braucht eine romantische Komödie Verwicklungen und dumme Missverständnisse. Aber eine der Verwicklungen in diesem Film entsteht, weil Lucy einen Kollegen, an dem sie nicht das geringste Interesse hat, sinn- und grundlos in eine Bar einlädt. Dann wirft sie sich Joshua an den Hals und fleht ihn praktisch um Beischlaf an. Aber Joshua weist Lucy an, nochmal mit dem Kollegen auszugehen, dessen Namen wir alle längst vergessen haben und ihn zu küssen. Wer denkt sich denn sowas aus? Und wer will das sehen?
 
 
Drehbuchautorin Christina Mengert hat das Drehbuch nach einer Vorlage von Sally Thorne verfasst. Ich habe noch nie ein Buch dieser Autorin gelesen und habe es auch nicht vor. Aber gesehen habe ich ihre Bücher sicher. Thorne schreibt die Art von Büchern, die in jedem Buchladen leicht zu finden sind, weil sie immer gelbe, pinke oder lila Einbände haben. Die Schrift auf dem Cover soll aussehen wie handgeschrieben und es sind immer eine weibliche und eine männliche Figur darauf abgebildet damit ein bestimmter Teil der Kundschaft sich auch sofort angesprochen fühlt.
 
Würde man von mir erwarten, Bücher zu kaufen, weil sie schwarz sind und Hunde und/oder Autos vorne drauf sind, wäre ich beleidigt. Naja, wir alle müssen selbst wissen, welcher werberelevanten Zielgruppe wir angehören möchten oder wie modernes Marketing auf uns wirken soll. Aber selbst Menschen die vor allem Bücher in Pastellfarben lesen, könnten sich doch wenigstens im Kino Besseres ansehen.
 
In diesem Film meint eine Figur zur anderen am Tag vor Thanksgiving, sie würde wohl am Feiertag Preiselbeersoße aus der Dose essen und an ihrem Schlumpf-Blog schreiben. Und in der nächsten Szene sehen wir, wie diese Figur exakt das tut. Was soll denn daran witzig sein? Und warum bekommen zwei Figuren nur ein Zimmer, obwohl sie zwei gebucht haben? Der Film liefert keine Erklärung. Gibt es wirklich Leute, denen das egal ist? Vermutlich. Immerhin gibt es auch Leute, die es nicht stört, dass ihr neuer Sandero im Jahr 2022 kein ESP hat.
 
Inszeniert wurde das Ganze von Peter Hutchings. Mir sagte der Name auch nichts. Bisher hat Hutchings bloß drei Filme inszeniert. Aber so wie man nicht viel Erfahrung braucht, um winzige Renault-Motoren mit hässlichen Karosserien zu verkleiden, braucht es wohl auch nicht viel, um attraktive Menschen durch eine strohdumme Handlung stolpern zu lassen.
 
Die Regie dieses Films ist so uninspiriert, wir sehen hier sogar einen Manager in seinem Büro Golf spielen. Ich weiß nicht, wie oft ich diese lächerliches Bild bereits im Film gesehen habe und wann zum ersten Mal. Die Figur, der alles so egal ist, dass sie in ihrem Büro Golf spielt, war bereits in „Avatar“ abgeschmackt. Hier haben wir auch einen Vater, der Arzt ist und seinem Sohn vorwirft, nichts aus seinem Leben zu machen obwohl der in Harvard Wirtschaft studiert hat. In einem Film uraltbekannte Muster wie diese zu zeigen, entspricht dem Einbau von antiquierten Trommelbremsen in neuen PKWs.
 
Why won’t you release me?
 
Die Menschen die Dacias auf den Markt bringen, müssen theoretisch Ahnung vom Autobau haben. Sie entscheiden sich trotzdem, etwas zu verkaufen, das man nur mit sehr viel gutem Willen als Auto bezeichnen kann. Lucy Hale hat in den USA eine Casting-Show gewonnen, wurde mit der Serie „Pretty Little Liars“ bekannt und hatte ihre erste Film-Hauptrolle in „Wahrheit oder Pflicht“. 2020 durften wir sie bereits in „Brave Mädchen tun das nicht“ bewundern, einer romantischen Komödie, die auch schon weder romantisch noch lustig war.
 
Vielleicht meint Lucy Hale, ihr Genre gefunden zu haben. Denn sie geht auch diesmal wieder genauso vor wie bei „Brave Mädchen tun das nicht“. Sie spielt tapfer gegen das unsinnige Drehbuch an und verlässt sich darauf, dass ihr Aussehen und ihr Charme über die neurotischen Aktionen und Reaktionen ihrer Figur hinwegtäuschen.
 
Allerdings ist Lucy Hale bei „Küss mich, Mistkerl“ nun nicht nur Hauptdarstellerin, sondern auch „Executive Producer“. Das bedeutet, sie hatte bei bestimmten Entscheidungen zur Produktion zumindest Mitspracherecht. Warum hat sie sich dann nicht gegen die Besetzung von Austin Stowell gewehrt? Hale und Stowell haben bereits bei „Fantasy Island“ miteinander gearbeitet. Sie hätte also wissen müssen, dass Stowell einfach nicht genug Ausstrahlung für eine Hauptrolle hat.
 
Austin Stowell hat so wenig Charisma, ich musste erst recherchieren, dass ich bereits mehrere Filme mit ihm gesehen (u.a. „Bridge of Spies“, „Whiplash“ und „Battle of the Sexes“) und trotzdem keine Erinnerung an ihn hatte. Der Mann sieht sehr gut aus. Aber bloß so, wie auch alle Nebendarsteller in jeder Variante von „C.S.I.“ gut aussehen. Stowell entfaltet auf der Leinwand trotz seines Aussehens kaum Wirkung.
 
In den Nebenrollen machen die Nebendarsteller nichts verkehrt. Corbin Bernsen darf wieder mal seine Paraderolle als Drecksack spielen. Anders als vor mehr als dreißig Jahren in „Die Indianer von Cleveland“ oder vor mehr als fünfzehn Jahren in „Kiss Kiss, Bang Bang“ tut er das aber diesmal langweilig.
 
 
Fazit
 
Wer sich einen Dacia Sandero statt eines richtigen Autos gekauft hat, kann sich auch diesen Film ansehen. Alle anderen können Besseres mit ihrer Zeit anstellen. Mit einem echten Auto über Land fahren. Gut essen gehen. Oder mit einem Hund spazieren gehen. Hunde sind einfach das Beste.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Peter Hutchings
  • Drehbuch: Peter Hutchings
  • Besetzung: Lucy Hale, Austin Stowell