Der Western ist tot, es lebe der Western! Frei nach diesem Motto verfuhr ...
... Kevin Costner schon mehrfach in seiner Karriere. Auch mit der vier Filme umspannenden Saga „Horizon“ will er es noch einmal wissen. Eine gute Idee?
Mut zum Risiko
Was für ein Mensch muss man sein, wenn man über 35 Jahre lang eine Idee mit sich herumträgt? Wenn man permanent an Türen klopft, bei den Studios aber immer wieder abblitzt und dann viel eigenes Geld in die Hand nimmt, um seinen Traum doch noch auf die große Leinwand zu bringen? Hartnäckigkeit und Mut kann man Hollywood-Star Kevin Costner sicherlich nicht absprechen. Beides hat er für seine Herzensprojekt „Horizon“, eine vier Teile umfassende Saga über die Westexpansion in den Vereinigten Staaten, reichlich aufgebracht.
Satte 38 Millionen Dollar aus eigenen Mitteln sind bislang in die Produktion geflossen, heißt es. In Interviews zum Start des ersten Films merkte der Oscar-Preisträger allerdings an, dass es deutlich mehr gewesen sei. Wie auch immer – das Risiko, das er eingegangen ist, ist groß und scheint sich nicht wirklich auszuzahlen. Die Einspielergebnisse vom nordamerikanischen Markt blieben jedenfalls hinter den Erwartungen zurück, weshalb der US-Verleih die schon terminierte Veröffentlichung des zweiten Kapitels auf unbestimmte Zeit verschoben hat.
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Etwas anders sah das noch Anfang der 1990er-Jahre aus, obwohl Costner für sein auf Völkerverständigung bauendes Epos „Der mit dem Wolf tanzt“ ähnliche Wege beschreiten musste. Niemand konnte sich so richtig für den Stoff erwärmen, sodass er in die eigene Tasche griff. Der Lohn der Mühen: Ein preisgekrönter Kassenerfolg, der den in Personalunion agierenden Regisseur, Hauptdarsteller und Produzenten endgültig zum Superstar machte. Ob auch „Horizon“ noch die Kurve kriegt, sich zu einem gefeierten Großwestern entwickelt? Eher unwahrscheinlich! Denn zum Auftakt ruckelt es vor allem erzählerisch gewaltig.
Da Costner, wie er gebetsmühlenartig betont, ein möglichst realistisches, möglichst detailreiches Bild der Pionierzeit entwerfen will, stellt „Horizon“ eine ganze Palette an Figuren vor und hält sich an unterschiedlichsten Orten auf. Ausgangspunkt ist die (fiktive) titelgebende Ortschaft, die auf dem Gebiet der Westapachen gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst als eine Art Provisorium entsteht.
Ein wuchtig inszenierter Angriff indigener Krieger, die sich für die Landnahme rächen wollen, legt die Siedlung in Schutt und Asche und befördert fast alle Bewohner ins Jenseits. Unter den Überlebenden sind Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail), die in einem Fort in der Umgebung Zuflucht finden. Zwischen Frances und dem aufrechten Oberleutnant Trent Gephart (Sam Worthington) bahnt sich eine Romanze an.
Costner lässt sich Zeit für Auftritt
Unterdessen schließt sich der beim Massaker ebenfalls verschont gebliebene Russell Ganz (Etienne Kellici), ein unerfahrener Bursche, einer Gruppe von Skalpjägern an, die die indigenen Angreifer aufspüren wollen und große Geschäfte wittern.
Mehrere hundert Meilen weiter nördlich kämpft Lucy (Jena Malone) unter dem falschen Namen Ellen in einem kleinen Ort in Wyoming um einen Neustart. Nachdem sie in Montana auf einen gewissen James Sykes (Charles Halford) geschossen hat, ist sie auf der Flucht vor seinen rachsüchtigen Söhnen Junior (Jon Beavers) und Caleb (Jamie Campbell Bower). Bei Lucy/Ellen wohnt die Prostituierte Marigold (Abbey Lee), die sich an den in der Siedlung ankommenden Pferdehändler Hayes Ellison (erst nach einer Stunde auftretend: Kevin Costner) ranschmeißt.
Andernorts zieht eine Planwagengruppe, angeführt von Matthew Van Weyden (Luke Wilson), Richtung Horizon. Mittendrin: einige Angehörige von Kittredges getötetem Ehemann. Angst vor Attacken durch Ureinwohner und interne Spannungen machen das Unterfangen nicht gerade zu einer Spazierfahrt.
Costner, der mit der Neo-Western-Serie „Yellowstone“ (aus der er in inzwischen ausgestiegen ist) in den letzten Jahren überraschende Erfolge feiern konnte, zementiert seine Ambitionen bereits im Untertitel seines großen Kinoprojekts, der von einer amerikanischen Saga spricht. Wer hoch hinaus will, muss sich an seinen Ansprüchen messen lassen. Vor allem dann, wenn man wie der Oscar-Preisträger ständig betont, dass viele andere Western langweilig seien und sich unecht anfühlen würden.
Es fehlt strukturierende Hand Seinen Mut in allen Ehren, aber der erste Teil der „Horizon“-Geschichte lässt doch einige Wünsche offen. Zum einen bemüht sich der Film, zu zeigen, dass Gewalt und Gier unauflöslich mit dem Entstehen der USA verbunden sind. Die Grausamkeiten auf allen Seiten werden allerdings oft nur angedeutet. Dem Schrecken richtig ins Auge zu blicken, wagen die Macher nicht.
Im Drehbuch, das Costner zusammen mit Jon Baird verfasste, spielen viele wichtige Themen – etwa Migration, Rassismus und die kapitalistische Logik – eine Rolle. Den beiden gelingt es jedoch nicht, sie so anzuordnen, dass sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Manches wird stichwortartig eingeworfen, fällt dann hinten runter, nur um später plötzlich wieder aufzutauchen.
Stränge und Charaktere kriegt der Film nie richtig in den Griff, hinterlässt den Eindruck eines wilden Sammelsuriums, in dem diverse Beziehungen seltsam unklar bleiben und nicht gerade wenige Klischees zum Tragen kommen. Wie steht es beispielsweise genau um das Verhältnis zwischen dem schweigsamen Ellison und der nur halb so alten Marigold, die ihn fortlaufend „Schatz“ nennt? Hat sie mit ihm Sex, weil sie wirklich etwas für ihn empfindet?
Oder sieht sie das Ganze, wie eine Kurzschlusshandlung andeutet, nur als Zweckgemeinschaft? Auch das Bemühen, der indigenen Perspektive Rechnung zu tragen, wirkt halbherzig. Wieso hat der gegen seinen Stammesältesten aufbegehrende Apache Pionsenay (Owen Crow Shoe), der den Überfall auf Horizon orchestriert, irgendwann kaum noch Bedeutung für die Handlung?
Ist das erste „Horizon“-Kapitel also eine gewaltige Enttäuschung? Mit einem solchen Urteil würde man Costner Unrecht tun. Immerhin hat sein Western auch unbestreitbare Qualitäten. Allen voran die Kostüme und die liebevoll nachgestellten Sets sowie die Kameraarbeit von J. Michael Muro („L.A. Crash“). Wie es sich für einen Beitrag dieses Genres gehört, schwelgt der Film in majestätischen Panoramaaufnahmen und zeigt uns die Mannigfaltigkeit der US-amerikanischen Natur.
Rund um Horizon dominiert eine von Canyons durchzogene, staubig-lebensfeindliche Wüstenlandschaft. Im grünen Wyoming wiederum leuchten die gelben Birkenbaumblätter um die Wette. Ein wirklich toller Anblick! Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass die Bilder des Öfteren in Richtung Hochglanz tendieren und gerade nicht absolut glaubwürdig vermitteln, wie es damals im Wilden Westen aussah.
Fazit
Viel gewollt, aber dann doch mehr bei Stückwerk gelandet. „Horizon“ liefert wenige Argumente dafür, dass Kevin Costner seine Saga über die Westerschließung noch in ein mitreißendes, die Figuren sinnvoll zusammenführendes Großwerk verwandeln kann.
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