Black Phone 2 - Kinostart: 23.10.2025

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Die Fortsetzung zum Überraschungserfolg von 2022 vermag tatsächlich zu unterhalten.
 
Sie verdeutlicht aber auch, was immer noch das Wichtigste an einem guten Spielfilm ist und bleibt …
 
Out of order
 
Vier Jahre nach den Ereignissen des ersten Films hat Finney immer noch mit den Nachwirkungen des Erlebten zu kämpfen. Als seine Schwester Gwen im Traum Botschaften von Toten erhält, müssen die Geschwister einsehen, das was vor vier Jahren geschehen ist, war weder der Anfang noch das Ende. Angefangen hat alles viel früher, in einem Ferienlager an einem See. Und dort soll alles auch enden …
 
Der erste Teil, „Black Phone“, hat vor drei Jahren das Zehnfache seines bescheiden Budgets eingespielt. Und das absolut zu recht. Der Film war großartig. Das Fazit meiner Rezension lautetet damals „Blumhouse hat sich selbst übertroffen. Ein großartiges Drehbuch, mit hervorragenden Darstellern kompetent verfilmt ergibt etwas, das wir viel zu selten zu sehen bekommen: Einen wirklich guten Film, der für sich allein besteht.“. Und weil mittlerweile wirklich jeder Film, der halbwegs seine Kosten wieder einspielt, eine Fortsetzung bekommt, … naja, … stehen wir nun da, … mit „The Black Phone 2“.
 
Welcher Teil von „wirklich guter Film, der für sich allein besteht“, war eigentlich schwer zu verstehen? Wozu schreibe ich mir hier eigentlich die Finger wund? Und warum heißt es plötzlich „THE Black Phone 2“, wie bei „THE Batman“? Es ist ja nicht einmal das selbe schwarze Telefon wie in Teil Eins, sondern ein ganz anders. Es müsste „ANOTHER Black Phone“ heißen. Oder „Black Phone AGAIN … please hold the line”. Cool wäre auch, “Black Phone 2 – are you going to return the call?” oder “Black Phone 2 – the callback”. Mein persönlicher Favorit wäre ja “Black Phone 2 – this time it’s a long distance call”.
 
Ich würde mich ja gerne weiterhin über diese Fortsetzung lustig machen. Aber das kann ich leider nicht, weil Scott Derrickson als Regisseur und zusammen mit C. Robert Cargill als Autoren tatsächlich einen guten Job gemacht haben. „The Black Phone 2“ ist ein gut gemachter Film. Ich möchte sogar behaupten, diese Fortsetzung ist so gut gemacht, wie man eine Fortsetzung zu einem Film machen kann, der nicht nur keine Fortsetzung gebraucht hätte, sondern zu dem sich eine Fortsetzung eigentlich verboten hat.
 
Das beginnt mit der Story. In wenigen kurzen, aber eindrucksvollen Eröffnungsszenen sehen wir, was so viele Autoren von Fortsetzungen nicht verstehen: überlebtes Trauma macht niemanden zum Helden. Trauma-Überlebende brauchen Zeit und Hilfe, um nicht Opfer zu bleiben. Und Finn hat seit dem Ende des ersten Films kaum genug Zeit gehabt und sicher noch nicht genug (professionelle) Hilfe erfahren. Auch Finns Vater hat zwar mit dem Trinken aufgehört. Aber das Einstellen einer Schwäche, lässt einen noch nicht automatisch echte Stärke entwickeln.
 
Wer möchte, kann in der Story von „The Black Phone 2“ einen feinen Subtext erkennen, über Männer die keine Hilfe suchen. Dazu passt auch die hervorragende Entscheidung der Autoren, diesmal Finns Schwester Gwen zur eigentlichen Hauptfigur zu machen. Sie war bereits im ersten Teil die interessanteste Figur des Films und ist im zweiten Teil dabei, sich von einem blitzgescheiten Mädchen mit ganz besonderen Eigenschaften zu einer faszinierenden jungen Frau zu entwickeln. Es wirkt, als hätten sich Derrickson und Cargill bei Pixar den Trick abgeschaut, in den Fortsetzungen den Fokus immer auf eine andere Figur als im ersten Teil zu legen.
 
Ganz allgemein scheinen die beiden Autoren ihre Vorbilder zu kennen und sich nur an den besten zu orientieren. Der Großteil der Handlung spielt an einem Ort, der nicht nur mich an das Original von „Freitag der 13.“ erinnern wird. Nur dass das Ganze eben im Winter spielt und man wegen des Wetters von der Außenwelt abgeschnitten ist, wie in „The Shining“. Und „The Grabber“ kann in Gwens Träumen sein sadistisches Spiel mit ihr treiben, so wie weiland Freddy Kruger in „Nightmare on Elm Street“.
 
Und das alles inszeniert Regisseur Scott Derrickson wieder extrem effektiv. Aufmerksamen Filmfans mag auffallen, dass die Gestaltung des Films nicht nur effektiv sondern auch effizient ausfällt. Bei Period Pieces gerät die Ausstattung immer teuer, wenn man mit viel Aufwand Hintergründe, Gebäude und Fahrzeuge der Zeit der Handlung anpassen muss. Aber wie schon der erste Teil hauptsächlich in einem einzelnen Kellerraum und dem Haus von Finns Familie spielte und dadurch günstig gestaltet werden konnte, spielt die Fortsetzung eben in den Hütten und der Natur rund um ein Ferienlager.
 
I’m sorry, I can’t help you
 
Aber so wie der ganze Film zum größten Teil wirklich gelungen ist und man bloß am Ende nicht mehr ignorieren kann, wie unecht die Szenen auf einem zugefrorenen See wirken, kann man bei aller Mühe, die sich Drehbuch und Regie gegeben haben, irgendwann nicht mehr ignorieren, dass das ganze Konzept am Ende eben doch nicht richtig zu dem des überaus originellen ersten Teils passt.
 
Das Herz des ersten Films war seine grandiose Story. Wie Finn im ersten Teil noch gar nicht wußte, was alles in ihm steckte und wie er lernen und wachsen musste, wer ihm dabei half und warum, … das alles zusammen mit einem der originellsten Geister-Verstorbener-gefangen-in-der-Zwischenwelt-Konzepte der Literatur- und Filmgeschichte hat „Black Phone“ 2022 zu etwas ganz Besonderem gemacht. Drei Jahre später bekommen wir einfach bloß eine wirklich gute Fortsetzung geboten, die sich bemüht Verbindungen zum Vorgänger zu knüpfen, die niemand braucht, dabei aber leider nicht einmal halb so originell ausfällt wie Teil Eins und gegen Ende mehr schlecht als recht funktioniert.
 
Wenn „The Black Phone 2“ im Großen und Ganzen dann doch irgendwie funktioniert, liegt das neben dem Drehbuch und der effektiven Regie vor allem an der Besetzung. Selbst die kleinsten Nebenrollen sind sehr gut besetzt. Maev Beaty ist eine erfahrene Bühnenschauspielerin, die bisher nur in wenigen Spielfilmen zu sehen war. Sie macht aus der konventionellen Nebenrolle einer selbstgefälligen, religiösen Spießerin eine für jeden Filmfan unterhaltsame Vignette. Der großartige Demián Bichir („Abseits des Lebens“) ist in einer Rolle zu sehen, die kaum mehr ist als der alte „Morris the Explainer“. Die Rolle von Jeremy Davies („Der Soldat James Ryan“) hätte man ausbauen oder konsequenterweise streichen müssen.
 
An erster Stelle auf dem Plakat steht Ethan Hawkes Name. Weil ich diesen Darsteller von „Waterland“ über „Gattaca“, „Maudie“ und all seine Zusammenarbeiten mit Richard Linklatter bis zu „Black Phone“ immer geschätzt habe und man in „The Black Phone 2“ ja auch wohl tatsächlich seine Stimme hört, soll mir das Recht sein. Ob der Mann tatsächlich auch so etwas wie Drehtage mit dem Rest der Besetzung verbracht oder sich einfach per Zoom-Meeting an diesem Film beteiligt hat, müsste man Scott Derrickson fragen.
 
Mason Thames hat mich bereits in Teil Eins beeindruckt. Ich habe ihn damals mit dem jungen Brad Renfro in „Der Klient“ verglichen. In meiner Rezension zu „Drachenzähmen leicht gemacht“, meinte ich, „wenn er sich in den nächsten Jahren nur halbwegs geschickt anstellt und ein oder zwei gutgeschriebene Rollen in den richtigen Filmen ergattern kann, gibt es keinen Grund, warum Thames nicht ein Star der 2030er-Jahre werden sollte“. Dem ist wenig hinzuzufügen. Hier vermittelt er die ambivalenten Emotionen seiner Figur absolut nachvollziehbar, spielt nie übertrieben theatralisch und wirkt ganz nebenbei auch noch richtig cool.
 
Der Star von „The Black Phone 2“ ist aber eindeutig Madeleine McGraw. In meiner Rezension zum ersten Teil habe ich mich noch gefragt, wie diese damals gerade Zwölfjährige so viel Kraft und Entschlossenheit vermitteln konnte. Mittlerweile ist die Darstellerin sechzehn Jahre alt und vermittelt nicht nur Kraft und Entschlossenheit sondern auch noch eine Reife, die weit über ihr Alter hinausgehen. Sie trägt weite Teile dieser Fortsetzung fast allein auf ihren zarten Schultern und lässt mit ihrer Emotionalität einzelne Szenen funktionieren, die ohne sie wohl kaum richtig funktioniert hätten.
 
 
Fazit
 
„The Black Phone 2“ zeigt, wie gut man eine Fortsetzung zu einem Film machen kann, der gar keine Fortsetzung gebraucht hätte. Diese Fortsetzung verdeutlicht aber auch, dass ein Film eine starke, originelle Story braucht. Wenn diese fehlt, bekommt man vielleicht einen gut gemachten Film, aber man wird niemals einen besonderen Film bekommen. Teil Eins war ein besonderer Film. Teil Zwei ist bloß eine gut gemachte Fortsetzung.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Scott Derrickson
  • Drehbuch: C. Robert Cargill
  • Besetzung: Ethan Hawke, Mason Thames