Mehr von etwas zu bekommen, das einem schon einmal gefallen hat, ist doch etwas sehr gutes. Oder …?
No Place Like Home
Weil weder den Drehbuchautoren noch der Regie etwas Besseres einfallen wollte, geht es zu Beginn von „Wicked: Teil 2“ gleich mit der Handlung weiter. Warum niemand auf die naheliegendste Idee gekommen ist, das Ganze im „Rocky 2-5“-Stil mit den letzten Minuten des vorangegangen Films anfangen zu lassen, ist unklar. Auf die Art hätte das Publikum nochmal „Defying Gravity“ zu hören bekommen, das mit Abstand beste Lied des ganzen Musicals, und wäre gleich sehr viel besser eingestimmt worden.
So beginnt der neue Film mit einer Szene von unbestimmt düsterer Stimmung, in der wir sehen wie die „Yellow Brick Road“ gebaut wird. Keine Ahnung, warum diese Straße plötzlich für etwas Böses steht. Der Zauberer ist sicher ein Bösewicht und seine Diskriminierung eines großen Teils der Bevölkerung von Oz ist eindeutig abzulehnen. Aber in die Infrastruktur eines Landes zu investieren, ist doch eigentlich nie verkehrt und kommt allen Bürgern zugute. Was ist also gegen Straßenbauprojekte zu sagen, selbst wenn sie von einem faschistischen … oh, … okay, ich verstehe.
Dieser Beginn des Films zeigt bereits die beiden größten Probleme dieses Films auf. Das erste ist das Drehbuch von Winnie Holzman und Dana Fox. Holzman hat bisher vor allem Drehbücher für Fernsehserien geschrieben (deren bekannteste war „Wunderbare Jahre“ vor mehr als dreißig Jahren) und Dana Fox war eine des halben Dutzends Autor*innen von „Cruella“, eines weiteren halbwegs unterhaltsamen Sequels, nachdem außer dem Studio niemand gefragt hätte. Holzman und Fox haben keine einfache Aufgabe übernommen. Die Handlung des Musicals auf der Grundlage eines Romans ist kaum mehr als passable Fan-Fiction und rechtfertigt, die mit knapp 5 Stunden beträchtliche Gesamtlaufzeit der zwei Filme, überhaupt nicht. Leider ist die zweite Hälfte auch noch die anstrengendere und weniger lustige Etappe der Handlung.
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Betrachten wir einfach mal ein Beispiel eines anderen Films, der ohnehin schon zu lang geraten ist und stellen uns kurz vor, die Macher hätten das Ganze nochmal gestreckt und in zwei Teilen ins Kino gebracht. Stellen wir uns vor „No Time To Die“ wäre mit dem Tod Blofelds zu Ende gewesen und wir hätten uns ein Jahr später nochmal ins Kino setzen dürfen, um noch ein paar zusätzliche elendslange Autoverfolgungsjagden und Schießereien sehen und zuhören zu dürfen, wie Schauspieler einander gegenseitig die Handlung erklären. Die älteren Leser*innen stellen sich bitte vor, wir hätten „Postman“ erst nur bis zu den Szenen in der Hütte in den Bergen sehen dürfen, um dann ein Jahr später zweieinhalb Stunden lang Kevin Costner beim Reiten zuzusehen. Nichts davon wäre besonders spannend gewesen nichts davon übermäßig unterhaltsam.
Und so ist es auch bei „Wicked: Teil 2“: eine recht dünne Handlung, die immer und immer wieder bemühte Bezüge zum Film mit Judy Garland herstellen muss, wird mit sehr viel erklärendem Dialog und auch erklärendem Gesang gestreckt. Die beiden neuen, extra für den Film geschriebenen Songs „No Place Like Home“ und „The Girl in the Bubble“ sind nicht schlecht, aber sicher keine „Showstopper“. „Wicked: Teil 2“ fällt tatsächlich gute zwanzig Minuten kürzer aus als Teil 1, kommt einem aber bald länger vor.
Das liegt leider auch wieder an der Regie von Jon M. Chu. Denn wie letztes Jahr fehlen seiner Inszenierung auch in Teil 2 wieder Schwung, Tempo und Dynamik. Bloß bietet diesmal, in der langweiligeren der beiden Hälften der Geschichte, auch das Drehbuch wenig Schwungvolles, Temporeiches oder Dynamisches. Waren die Tanz-Szenen im ersten Teil gefällig aber wenig beeindruckend ausgefallen, so fehlen sie im zweiten Teil völlig. „Wicked: Teil 2“ hat zwar durchaus Musik, aber keine einzige richtige, große Musicalnummer zu bieten.
Auch visuell hat der Film noch weniger zu bieten als Teil Eins. Bereits in Teil Eins wirkten die Landschaften und Bauten von Oz zwar nett, doch nicht übermäßig beeindruckend. Aber in Teil Eins war das alles wenigstens noch neu und es wurden auch einige flotte Kamerafahrten durch das zauberhafte Land geboten. In Teil Zwei haben wir bis auf ein düsteres Schloss alles bereits gesehen. Und von diesem Schloss bekommen wir einige Panoramaaufnahmen und genau zwei Räume zu sehen, die wieder durchaus passabel, aber auch nicht viel zauberhafter als in der Version von 1939 wirken.
The Girl in the Bubble
Für das Wenige an Schwung, Tempo und Dynamik und ganz allgemein für den größten Teil des Unterhaltungswerts sorgt Ariana Grande. Sie vermittelt bezaubernde Arglosigkeit ebenso wie die Entwicklung ihrer Figur zu einer echten „guten Hexe“. Grande hat als einzige Darsteller*in den „Camp“-Faktor, also das Affektierte, Schräge dieses ganzen Projekts begriffen und setzt diesen auch immer wieder um. Grande weiß stets, wie weit sie das „camp it up“ in einzelnen Szenen treiben darf. Und auch wenn sie sicher keine große dramatische Mimin ist, weiß sich Frau Grande in ernsteren Szenen durchaus zu behaupten und kann so die einzige Figur des Films darstellen, die so etwas ähnliches wie eine Entwicklung durchmacht.
Die anderen Figuren entwickeln sich leider kaum. Madame Akaber ist abwechselnd abgrundtief böse und genervt, mehr nicht. So bleibt ihre Darstellerin, die großartige Michelle Yeoh, nach „A Haunting in Venice“ wieder unterfordert. Ähnliches gilt für Jeff Goldblum. Der Mann brillierte in den letzten Jahren in Filmen wie „Thor: Tag der Entscheidung“ oder „Hotel Artemis“ immer wieder in wichtigen und herrlich schrägen Nebenrollen. In „Wicked: Teil 2“ bleibt seine Rolle leider ein reines Handlungselement und bietet Jeff Goldblum kaum Gelegenheit, das zu tun, was Jeff Goldblum am besten kann.
Jonathan Bailey hat in Teil Eins noch unbändigen Charme zeigen können. In der langweiligeren Hälfte der Geschichte bleibt auch seine Figur leider recht langweilig und der begabte Darsteller darf vor allem gut aussehen und den alten, stets perfekt gestutzten Dreitagebart von Don Johnson aus „Miami Vice“ auftragen.
Cynthia Erivo ist ihrer Rolle als Elphaba stimmlich voll gewachsen. Darstellerisch kann sie nicht immer überzeugen. Ihre Figur wirkt in entscheidenden Szenen weniger wie eine tragische Kämpferin, sondern eher einfach bloß angepisst. Leider scheint sie, wie so viele junge Darstellerinnen, auch die Michelle-Rodríguez-Schauspielschule besucht zu haben und meint, ein nach hinten gezogener Mundwinkel allein würde dem Publikum eine entschlossene, starke Frauenfigur vermitteln.
Fazit
„Wicked: Teil 2“ bietet vor allem mehr von dem, was uns letztes Jahr bereits gefallen hat. Weil der Film aber sicher nicht die interessantere Hälfte der Geschichte erzählt und sich an der Inszenierung und den anderen Leistungen nichts verbessert hat, ergibt einfach nur mehr von dem, was uns letztes Jahr gefallen hat, am Ende leider trotzdem weniger als wir schon gesehen haben.
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