Klingeln auf eigene Gefahr! Hugh Grant lehrt zwei junge Missionarinnen ...
... das Fürchten und drückt dem gruseligen Kammerspielthriller „Heretic“ seinen Stempel auf.
Kauzig und unheimlich
Denkt man an einprägsame Leinwandbösewichte, kommt einem nicht gerade Hugh Grant in den Sinn. Bekannt wurde der englische Schauspieler vor allem mit romantischen Komödien wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Notting Hill“. Dass er auch abgründige Figuren verkörpern kann, stellte er in seiner nun schon mehrere Jahrzehnte andauernden Karriere dennoch unter Beweis. Bestes Beispiel: die 2020 veröffentlichte Miniserie „The Undoing“, in der er einen vermeintlich unbescholtenen Mediziner darstellt, der seine Liebhaberin auf brutale Weise ermordet und vor seiner Familie das Unschuldslamm mimt.
Grants dunkle Seite kitzelt das Regie- und Autorenduo Scott Beck und Bryan Woods nun auch im schauerlichen Thriller „Heretic“ hervor, der einen kritischen Blick auf Religionen wirft und ausgerechnet am zweiten Weihnachtstag in den deutschen Kinos startet. Wer Besinnlichkeit sucht, sollte um diesen Film besser einen großen Bogen machen. Denn fiese Wendungen und garstige Humoreinlagen sind hier reichlich vorhanden. Mittendrin: ein famoser Hugh Grant, der für seine Performance sogar eine Golden-Globe-Nominierung erhielt. Darstellern aus gruseligen Spannungswerken passiert das eher selten.
Das Haus des von ihm gespielten Mr. Reed suchen die beiden mormonischen Missionarinnen Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) auf, um ihren Glauben vorzustellen. Der Haken an der Sache: Eigentlich dürfen sie nur dann eintreten, wenn eine Frau anwesend ist.
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Eine solche scheint es hier aber nicht zu geben. Oder doch? Seine Gattin sei noch verhindert, da sie gerade einen Blaubeerkuchen zubereite, versichert der etwas kauzige Herr und gewinnt damit das Vertrauen seiner Besucherinnen. Dass es ein Fehler war, seiner Einladung zu folgen, bekommen Barnes und Paxton allerdings schnell zu spüren. Zunächst geraten sie in eine Art Kreuzverhör. Dann verlässt der Gastgeber den Raum. Und plötzlich ist die Vordertür verriegelt. Ein zweiter Ausgang befinde sich hinten, erfahren sie von Mr. Reed, der jedoch offenbar nicht vorhat, sie wieder gehen zu lassen.
Kammerspielartige Szenarien erprobten Scott Beck und Bryan Woods bereits in ihrem Drehbuch für den Endzeithit „A Quiet Place“ und ihrem Slasher „Halloween Haunt“, der mehrere junge Menschen in einer Spukhausattraktion um ihr Leben kämpfen ließ. Besonders ein Blick auf letztgenannte Arbeit zeigt, dass sich die Filmemacher weiterentwickelt haben. Erzeugten sie dort mit recht knalligen Mitteln passable Spannung, gelingt ihnen in „Heretic“ ein aufregender Spagat zwischen hintersinnigem Thrill und deftigen Effekten.
Gekonnt zugespitzte Dialoge
Für eine ungemütliche Atmosphäre sorgt schon das herrlich spießig eingerichtete, etwas marode, seltsam verwinkelte Haus, von dem Mr. Reed auch ein Miniaturmodell besitzt. Dieser Einfall erinnert an Ari Asters Familienschocker „Hereditary - Das Vermächtnis“, wirkt vielleicht ein bisschen selbstzweckhaft, ermöglicht an einer Stelle aber einen Inszenierungskniff, der Eindruck hinterlässt.
Neben dem Setting verströmt Hugh Grants Darbietung reichlich Gefahrenpotenzial. Der Antagonist mag mit seiner überdimensionierten Brille und seiner karierten Strickweste auf den ersten Blick onkelhaft erscheinen. Wer genauer hinsieht, merkt allerdings schnell, dass in seinem Lächeln oft eine Spur Boshaftigkeit und Überheblichkeit liegt. Gekonnt wechselt Grant in seinem Spiel zwischen kühler Analyse, beißendem Sarkasmus und handfestem Irrsinn, was ihn erfrischend unberechenbar macht.
Gelungen sind außerdem viele der knackig-pointierten Dialoge und Monologe, in denen „Heretic“ reizvolle, gar existenzielle Fragen anreißt: Was erhoffen sich Menschen, im Glauben zu finden? Welche Gefahren birgt das Vertrauen auf eine einzige Wahrheit? Wie eigenständig sind eigentlich die großen Weltreligionen? Und handelt es sich bei ihnen möglicherweise nur um Waren. Güter, die angepriesen und verhökert werden? Den letzten Punkt bereitet der Film schon in den ersten Minuten vor, wenn Barnes und Paxton am Beispiel von Kondomen über die Verführung durch die Werbeindustrie reden. Dass auch sie von Haus zu Haus ziehen und den Leuten ihre Kirche schmackhaft machen wollen, scheint ihnen nicht bewusst zu sein.
Die Bezüge und Anspielungen, die Beck und Woods in ihr Quasi-Drei-Personen-Stück einarbeiten, überraschen ein ums andere Mal und regen zum Nachdenken an. Grelle Schockmethoden kommen eine ganze Weile nur dosiert zum Einsatz. Erst im dritten Akt baut der nun vermehrt auf reißerische Elemente setzende Thriller ein wenig ab und wird etwas vorhersehbarer. Umso erfreulicher, dass die Regisseure mit den finalen Bildern dann wieder die Kurve kriegen und das Publikum mit einer Spur Ungewissheit aus dem Kino entlassen. Wie sich das Ende interpretieren lässt, darüber kann man im Anschluss wunderbar diskutieren.
Fazit
Scott Beck und Bryan Woods machen in ihrem neuen Spielfilm einiges richtig. Am besten ist aber die Entscheidung, Hugh Grant als diabolischen Religionskritiker völlig gegen den Strich zu besetzen.
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