Wolf Man - Kinostart: 23.01.2025

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Bei Remakes oder Neuverfilmungen bekannter Vorlagen kommt es immer ...
 
... darauf an, was man dem Ursprungsmaterial an Neuem hinzufügen kann. Und wieviel Neues man hinzufügen kann …
 
This place is beautiful. It’s also dangerous.
 
Vor dreißig Jahren hatte sich in den Wäldern Oregons etwas Furchtbares ereignet, dem Blakes Vater zum Opfer gefallen ist. Nun kehrt er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter ins Haus des Vaters zurück. Auf dem Weg durch den Wald muss er einer Kreatur ausweichen und kommt mit dem Truck von der Straße ab. Blake wird leicht verletzt und kann sich mit seiner Familie in das alte Haus retten. Draußen lauert ein unbekanntes Wesen auf die Eingeschlossenen. Aber auch Blake verändert sich …
 
Leigh Whannell hat unter anderem das Drehbuch zu „Saw“ verfasst, einem Film der vor zwanzig Jahren frischen Wind ins Horrorgenre gebracht hat. Einige Jahre später hat er das Drehbuch zu „Insidious“ geschrieben und damit das alte „Haunted House“-Muster intelligent variiert. Bei „Insidious: Chapter 3“ durfte er erstmals auch Regie führen, bevor er vor einigen Jahren mit „Der Unsichtbare“ diese altbekannte Vorlage auf überaus interessante Weise neu interpretiert hat.
 
Wir wissen also, Leigh Whannell weiß, was er als Autor und Regisseur zu tun hat. Vielleicht ist die bisherige Erfolgsbilanz von Leigh Whannell mit für die Enttäuschung verantwortlich, die sein neuer Film darstellt. Wäre „Wolf Man“ von einem anderen, unbekannteren Filmemacher gemacht worden, wäre er ein typisches Beispiel für einen durchschnittlichen Blumhouse-Film. Blumhouse produziert seit bald zwei Jahrzehnten pro Jahr ein gutes halbes Dutzend Filme. Im Schnitt ist einer von fünf dieser Filme wirklich gelungen („Get Out“, „The Black Phone“, „Five Nights at Freddy’s“), die restlichen 80% sind mäßig unterhaltsame Horrorfilmchen, die nie ganz schlecht aber eben leider nicht wirklich gut ausfallen („Wahrheit oder Pflicht“, „Imaginary“, „Ma“ und so weiter und so fort).
 
Nichts an „Wolf Man“ ist ganz schlecht, aber es funktioniert auch nichts wirklich gut und praktisch alles bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das beginnt bereits beim Drehbuch. Aufmerksamen Filmfans mag im Verlauf des Films dämmern, in welche Richtungen Leigh Whannell seine Geschichte wohl irgendwann mal entwickeln wollte. Warum er das Drehbuch nicht in aller Ruhe zu Ende geschrieben hat, wird sich aber niemand erklären können.
 
Es sollte wohl mal irgendwie um Väter und ihre Aufgaben gehen. Vermutlich auch irgendwie um Beziehungen. Aber das ist schwer zu sagen, denn dazu müssten die Hauptfiguren irgendwelche Eigenschaften haben, die sie als Charaktere erkennbar machen. Über die weibliche Hauptperson erfahren wir, dass sie am Familientisch mit dem Handy telefoniert und wohl als Journalistin arbeitet. Das war es. Die männliche Hauptfigur hat als Kind seinen Vater verloren. Eine Mutter wurde nie erwähnt. Auf die Frage nach seinem Job antwortet er „Writer“, ist aber wohl eher Hausmann und Vater. Und warum er seine Frau mit dem Vorschlag der Reise nach Oregon überfällt und sie dabei fast zu weinen anfängt, bleibt unklar.
 
Vielleicht hätte es auch wohl mal um (männliche?) Aggression gehen sollen? Jedenfalls muss der Vater sich in einer frühen Szene beim Töchterlein dafür entschuldigen, seine Stimme erhoben zu haben, nachdem sie in einer gefährlichen Situation dreimal hintereinander nicht auf ihn gehört hat. Keine Ahnung, was das sollte. Die Mutter erklärt irgendwann mal, die Tochter hätte den Vater lieber als die Mama. Ist es nun also schlecht, wenn Mama einen Job hat und nicht den ganzen Tag bei dem Kind zuhause bleiben kann? Wer soll das wissen?
 
Bald erkennen wir auch, Leigh Whannell hat David Cronenbergs Meisterwerk „Die Fliege“ gesehen und hatte wohl irgendwann mal vorgehabt, die psychologischen Aspekte einer Verwandlung in ein Monster zu behandeln. Dafür hätte er uns aber erstmal mit der Person vertraut machen müssen, die sich verwandelt. Da wir diese Person nie richtig kennenlernen, kann das leider nicht funktionieren. Vielleicht hat das auch Leigh Whannell selbst eingesehen und lässt diesen Handlungsfaden deshalb immer wieder komplett fallen.
 
„Wolf Man“ ist einer dieser Filme, in dem die ganz besonders dolle Verbindung zwischen Elternteil und Kind durch einen besonderen Rapport, ein reizendes kleines Spiel zwischen ihnen vermittelt werden soll. Sowas ist immer ein Offenbarungseid der Einfallslosigkeit des Drehbuchautors. Hier tun Papa und Töchterlein so, als könnte das Kind Gedanken lesen. Von diesem Unsinn abgesehen sind alle drei Hauptpersonen so chronisch „underwritten“, vielleicht erwartet Leigh Whannell auch vom Publikum Gedanken lesen zu können? Wenn das Töchterlein in der Schlüsselszene der Frau Mama dann das Ende des Films erklärt, nimmt die Faulheit des Drehbuchautors lächerliche Ausmaße an.
 
It’s my job, to protect you
 
Leigh Whannells Inszenierung ist seinem Drehbuch auch keine Hilfe. Den entscheidenden Autounfall nehmen wir noch als ungeschickt gestaltet war. Aber im Verlauf des Films drängt sich die Frage auf, ob Whannell als Regisseur nicht mehr leisten konnte oder wollte? Weite Teile der Handlung spielen sich im Dunkeln ab. Und wenn ich „im Dunkeln“ schreibe, meine ich genau das. Finsternis. Nix zu sehen. Whannel lässt sein Publikum also nicht nur im übertragenen Sinne sondern sogar buchstäblich im Dunkeln sitzen.
 
In den seltenen Situationen, in denen sich so etwas wie Grusel oder Spannung entwickeln könnte, scheint es regelmäßig als verliere die Regie das Interesse. Ein Fluchtversuch endet lächerlich schnell und lächerlich doof. Ein Kampf zwischen zwei Kreaturen hätte tatsächlich den Höhepunkt des Films bilden müssen. Tatsächlich sehen, … nein, … erahnen wir zwei schemenhafte Gestalten einander zweimal kurz im Dunkeln herumschubsen.
 
Rollen, die vom Drehbuchautor nicht zu Ende geschrieben wurden, können von den Darsteller*innen unter gleichgültiger Regie natürlich nicht zu interessanten Charakteren entwickelt werden. Das Interessanteste, das mir zu Julia Garners Darstellung der Mutter einfällt, ist noch, dass hier natürlich wieder mal eine Darstellerin besetzt wurde, die zu jung aussieht, für das Kind dessen Mutter sie darstellt. Aber das ist in Hollywood nichts Neues.
 
Christopher Abbott hat uns in einer ganzen Reihe Nebenrollen („Aufbruch zum Mond“, „Poor Things“, …) bisher nicht beeindruckt und nun hinterlässt er erstmals in einer Hauptrolle kaum einen Eindruck. Das beste an seiner Darstellung ist noch die Arbeit der Maskenbildner. Die kleine Mathilda Firth ist sicher ein ganz reizendes Kind. Ihre Darstellung im Film fällt aber so aus, dass der „Wolf Man“ sich ihre Figur von mir aus gerne schnappen darf.
 
 
Fazit
 
Wollte Leigh Whannell der alten Geschichte vom „Wolf Man“ zu viel Neues hinzufügen und ist daran gescheitert? Am Ende lässt er das Publikum nicht nur mit dieser Frage sondern auch mit einer unfertigen Geschichte im Dunkeln sitzen und liefert nur wenig Grusel und noch weniger Spannung.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Joe Johnston
  • Drehbuch: Andrew Kevin Walker
  • Besetzung: Benicio del Toro, Anthony Hopkins