Freud - Jenseits des Glaubens - Kinostart: 19.12.2024

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Ein Treffen zwischen Sigmund Freud und C.S. Lewis, wie es der Film darstellt, gab es nie.
 
Oder wahrscheinlich nie. Es ist überliefert, dass Freud in seinen letzten Tagen einen Professor aus Oxford traf. Es könnte C.S. Lewis, der spätere Schöpfer der „Chroniken von Narnia“ gewesen sein, aber man weiß es nicht. Aus diesem Treffen holt der Film aber immens viel heraus.
 
Die Frage nach Gott
 
Sigmund Freud lebt seit gut einem Jahr in London, nachdem er mit seiner Tochter aus Wien fliehen musste. Er hat den Professor C.S. Lewis zu sich eingeladen. Lewis denkt, es ginge um sein Buch, in dem er Freud karikiert hat, aber das will Freud gar nicht gelesen haben. Dem todkranken Mann, der unter starken Schmerzen leidet, geht es eher darum, dass er mit Lewis reden will, um dessen Glaubenssystem ins Wanken zu bringen. Lewis war ein Ungläubiger, wurde dann jedoch ein überzeugter Christ. Freud wiederum ist vom Glauben fasziniert, glaubt aber nicht.
 
Es entwickelt sich ein Gespräch, das über den Tag verteilt die Positionen der beiden Männer hervorhebt, aber auch die Widersprüche in ihrem Glaubenssystem aufzeigt.
 
Von Non-Fiction zum Theater
 
Die Basis für die Geschichte ist das Sachbuch „The Question of God“ von Armand Nicholi. Er betrachtet dabei die Leben und die Überzeugungen von Freud und Lewis, ohne ins Fiktive zu gehen und so zu tun, als hätten sich beide getroffen. Für Mark St. Germain war das Inspiration genug, um ein Theaterstück zu schreiben, in dem es um die philosophische Diskussion der beiden Männer geht. Dieses ist auch, was den Film inspiriert hat.
 
FREUD: JENSEITS DES GLAUBENS ist vor allem ein Film des großen Schauspiels. Anthony Hopkins hat eine grandiose Altersrolle gefunden und zeigt einmal mehr, warum er seit Jahrzehnten zur Speerspitze seiner Zunft gehört, Matthew Goode steht dem kaum in etwas nach. Beide Männer umkreisen einander, sind von ihrer Ideologie überzeugt und wissen doch sehr wohl, dass der andere sich niemals umstimmen lassen wird.
 
Aber es ist elektrisierend, den beiden beim verbalen Clinch zuzusehen, zumal es nicht nur das Schauspiel, sondern auch die Texte sind, die pures Gold darstellen. Es gibt die Momente, in denen man als Zuschauer schwankt, wem man zustimmen möchte. Ebenso gibt es aber auch die, in denen die Widersprüchlichkeiten in den Charakteren dieser beiden Menschen herausgearbeitet werden.
 
 
Freuds Tochter
 
Wenn man an Hopkins‘ Spiel eines kritisieren will, dann ist es der Umstand, dass er Freud praktisch ohne jeden Akzent spielt. Das fällt umso mehr in Interaktion mit der von Liv Lisa Fries gespielten Tochter Anna auf, die eben ihre deutsche Herkunft trotz exzellenten Englischs nicht verbergen kann. Aber das ist im Grunde Jammern auf hohem Niveau, denn FREUD: JENSEITS DES GLAUBENS ist ein intensives, über die volle Distanz packendes Kammerspiel, das auch inszenatorisch aus den begrenzten Locations das Maximale herausholt.
 
Es gelingt, mit dem Blick auf nur einen Tag, ein sehr gutes Verständnis für beide Männer zu liefern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber den Diskurs als solches lieben. In einer Nebenhandlung geht es auch um die Abhängigkeit von Anna Freud von ihrem Vater, was dem Film zusätzliche Tragweite verleiht, weil illustriert wird, dass selbst Psychoanalytiker nicht davor gefeit sind, sich in Ko-Abhängigkeit zu begeben, und das sogar zu verleugnen.
 
Ein amüsanter Querverweis ist übrigens, dass Anthony Hopkins vor mehr als 30 Jahren selbst C.S. Lewis gespielt hat, und zwar im Film SHADOWLANDS – EIN GESCHENK DES AUGENBLICKS.
 
 
Fazit
 
Ganz großes Schauspielkino für all jene, die es lieben, herausragenden Mimen zuzusehen. Dazu kommt, dass die Dialoge hervorragend sind, was sich insbesondere bei der philosophischen Diskussion zeigt. Wer Anthony Hopkins und Matthew Goode bei zwei der besten Darstellungen ihrer illustren Karrieren sehen will, ist hier genau richtig.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Peter Osteried
  • Regie: Matthew Brown
  • Drehbuch: Mark St. Germain
  • Besetzung: Anthony Hopkins, Matthew Goode