James McAvoy hat mächtig Spaß im US-amerikanischen Remake des dänischen ...
... Psychothrillers „Speak No Evil“ (2022), der zwei sich im Urlaub kennenlernende Familien einige Zeit später abermals aufeinandertreffen lässt.
Besuch bei neuen „Freunden“
Dass Hollywoods Gruselpapst Jason Blum im Fall von Christian Tafdrups satirisch eingefärbtem Schocker schnell Nägel mit Köpfen machte, muss nicht verwundern. Wenige Personen, ein begrenztes Setting und ein sich unaufhaltsam zuspitzender Konflikt schienen geradezu prädestiniert für eine Neuinterpretation durch die Firma des mit nicht allzu teuren Horrorstücken bekannt gewordenen Produzenten. Zwei Jahre nach Erscheinen des Originals kommt nun das Remake in die Kinos, das unter der Regie des britischen Filmemacher James Watkins entstand. Herausgekommen ist kompetente Spannungsunterhaltung, die allerdings nicht den Mut aufbringt, dem dänischen Streifen in allen Punkten zu folgen.
Die Seele baumeln und den Alltag hinter sich lassen, dabei aber nur nicht negativ auffallen – unter dieser Prämisse verbringen die in London lebenden US-Amerikaner Ben (Scoot McNairy) und Louise (Mackenzie Davis) mit ihrer Tochter Agnes (Alix West Lefler) ihren Urlaub in einem malerischen Ort in der Toskana. Am Pool werden sie auf den draufgängerischen, etwas lauten Briten Paddy (James McAvoy) aufmerksam, der mit seiner Frau Ciara (Aisling Franciosi) und ihrem gemeinsamen Sohn Ant (Dan Hough) ebenfalls vor Ort entspannt. Bei einer Stadtbesichtigung kommen die beiden Familien ins Gespräch, und obwohl sie nicht unterschiedlicher sein könnten, verstehen sie sich in den nächsten Tagen blendend.
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Nach der Italienreise im üblichen Trott angekommen, werden Ben und Louise von einer Einladung ihrer Urlaubsbekanntschaften überrascht. Da man sich nur oberflächlich kennengelernt hat, zögern sie anfangs, packen Agnes dann aber doch ins Auto und brechen in die südenglische Provinz auf. Im versteckt gelegenen Landhaus von Paddy und Ciara angekommen, ist die Wiedersehensfreude spürbar. Schnell sorgen kleine Übergriffigkeiten seitens der aufgekratzt wirkenden Gastgeber aber für erste Irritationen. Ben und Louise machen zunächst gute Miene zum bösen Spiel. Ein fataler Fehler!
Dass mit den neuen „Freunden“ etwas nicht stimmt, darf man offen ansprechen. Schon der Trailer und das Kinoplakat, auf dem James McAvoy in unheimlicher Zeigefinder-auf-den-Mund-Pose zu sehen ist, lassen keinen Zweifel daran, dass der Ausflug nicht die beste Idee war. Außerdem spricht der Wahnsinn bereits sehr früh aus den Augen und aus dem breiten Grinsen des Paddy-Darstellers, der hier – wie schon mehrfach in seiner Karriere – richtig aufdrehen darf. Mit seinem muskelbepackten Körper, seiner unbändigen Energie dominiert McAvoy viele Szenen und trägt entscheidend zum langsam wachsenden Nervenkitzel bei. Hervorzuheben ist aus dem überzeugend agierenden kleinen Ensemble ferner Mackenzie Davis, die das zunehmende Unwohlsein ihrer Figur durch Blicke und mimische Veränderungen eindringlich transportiert.
Wann ist ein Mann ein Mann?
Verglichen mit dem Original ist der neue Film ein Stück plakativer. Auch mit Blick auf die Probleme der Besucher. Christian Tafdrups Bjørn leidet still an seinem durchstrukturierten bürgerlichen Leben, fühlt sich eingezwängt und schaut deshalb zum so unkonventionellen, dem Archaischen zugneigten Niederländer Patrick auf, der sich nicht in irgendwelche Rollen pressen lässt. Bei James Watkins macht Ben nicht nur der Verlust seines Jobs zu schaffen, der ihn nach London führte. Zusätzlich befindet sich seine Ehe nach einem Vertrauensbruch durch Louise in einer Schieflage. Alles ein bisschen konkreter, mit dickerem Pinsel gemalt als in „Speak No Evil“ anno 2022. Und so, wie man es von einer Hollywood-Produktion erwartet. Schließlich soll ein Massenpublikum bedient werden.
Die satirischen Beobachtungen des Originals sind im Remake nicht mehr ganz so stark. Immer wieder dreht sich das langsam eskalierende Geschehen aber auch um diese Fragen: Was macht einen Mann aus? Ab wann werden Konventionen wie Höflichkeit gefährlich? Und wie sollte man mit Grenzüberschreitungen umgehen? „Speak No Evil“ bindet die Zuschauer ständig mit ein, animiert sie, mit jeder neuen Übergriffigkeit von Paddy und Ciara darüber nachzudenken, wie man selbst wohl reagieren würde. Weglächeln, Mund aufmachen oder gar das Weite suchen?
Aus unangenehmen Alltagssituationen entsteht ein Gefühl des Unbehagens, das nach und nach ein Klima der Bedrohung erzeugt. Vor allem Nichtkenner des Ursprungsfilms hält die neue Version gut auf Trab. Auch im letzten Drittel, in dem der Regisseur - ähnlich wie in seinem Thriller „Eden Lake“ (2008) – beweist, dass er ein Katz-und-Maus-Spiel angemessen intensiv zu inszenieren weiß.
Wer Tafdrups niederschmetterndes, wenngleich einige Figurenmotivationen nicht ganz nachvollziehbar machendes Ende vor Augen hat, könnte jedoch so seine Probleme mit dem neuen, in die Länge gezogenen und geschwätzigeren Showdown haben. Hier schlägt das bis dahin recht nah bei der Vorlage bleibende Remake einen anderen Weg ein, der uns daran erinnert, dass wir einen Film aus dem Hollywood-System vor uns haben. Etwas mehr Mut hätte sicher nicht geschadet – auch wenn die Schlusseinstellung noch einmal ein Frösteln produziert.
Fazit
Gut gespielte, die Spannungsschraube geschickt anziehende Neuinterpretation eines bedrückenden dänischen Psychothrillers, dessen Ecken und Kanten für ein Massenpublikum allerdings ein wenig abgeschliffen werden. Das letzte Drittel dürfte unter Kennern des Originals für Diskussionen sorgen.
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