Viele Kritiker zeigen sich von Pamela Andersons Leistung in Gia Coppolas Film tief beindruckt.
Aber wovon genau? Und warum eigentlich?
Turn around, bright eyes
Shelley ist 57 Jahre alt und seit 38 Jahren bei der gleichen Burlesque-Show im gleichen Casino in Las Vegas beschäftigt. War sie zu Anfang noch in der ersten Reihe aufgetreten und auf dem Plakat abgebildet, ist sie im Lauf der Zeit immer weiter in den Bühnenhintergrund gerutscht. Trotzdem liebt sie die Show und lebt nur für die Show. Als Shelley und ihre Kolleginnen erfahren müssen, dass die Show eingestellt wird, tritt sie das hart. Zum ersten Mal in ihrem Leben, muss Shelley sich schwierige Fragen stellen …
Irgendwann im Verlauf von „The Last Showgirl“ erklimmt eine von Jamie Lee Curtis dargestellte Kellnerin und ehemaliges Showgirl eine kleine Bühne und tanzt zu den Klängen von Bonnie Tylers größtem Hit, „Total Eclipse of the Heart“. Für die jüngeren unter unseren Leser*innen: Dieser Song wurde vom 2021 verstorbenen Jim Steinman getextet und komponiert, von dem unter anderem auch Meat Loaf‘s „Bat out of Hell“ und „I’d do anything for love (but I won’t do that)“ und der größte Teil der Musik zu Walter Hill’s verkanntem Meisterwerk „Straßen in Flammen“ stammen.
Ein typischer Jim Steinman-Song läuft nach folgendem Muster ab: Eine Strophe, die metaphorisch Liebe, Verlust oder aber auch verlorener Liebe behandelt, gefolgt von einem Refrain der mehrere Minuten dauert und während der zweiten Hälfte des Liedes werden dann nur noch immer und immer wieder die gleichen zwei Zeilen wiederholt. Gestreckt wird das Ganze mit Gitarrensoli und das war’s. Subtil ist das alles nicht, aber dafür effektiv. Bei näherem Hinhören rechtfertigt der spärliche Inhalt dieser Songs ihre Überlange von kaum jemals unter 7 Minuten kaum jemals.
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„The Last Showgirl“ erinnert in mancher Hinsicht an die Liedkunst von Jim Steinman selig. Subtil ist nichts an diesem Film. Das Bisschen Handlung hätte vielleicht einen interessanten Kurzfilm abgegeben, reicht aber kaum für einen abendfüllenden Spielfilm. Damit man doch noch irgendwie auf 89 Minuten Laufzeit kommt, sieht man die Hauptfigur immer wieder in Gedanken mit sich selbst beschäftigt in Las Vegas herumstehen oder -gehen. Worüber diese Shelley nachdenken mag und wozu diese Szenen gut sein sollen, bleibt unklar, weil ihre Figur im Film keinerlei Entwicklung durchmacht.
Regisseurin Gia Coppola (ja, die Enkelin von Francis Ford) hat das wirklich sehr dünne Drehbuch von Kate Gersten wenig subtil, aber durchaus effektiv umgesetzt. Direkt plump wirkt zum Beispiel der Einsatz der wackeligen Handkamera. Ja, schon klar, das soll dem Film einen „dokumentarischen“ Look verleihen. Aber nicht erst seit Gimbal und automatischer Bildstabilisierung sehen Dokumentarfilme längst nicht mehr so wackelig aus, wie dieser Film in jeder einzelnen Szene. Es gibt also nicht den geringsten Grund, warum jede einzelne Szene dieses Films aussehen muss, als wäre der Kameramann während der Dreharbeiten auf einer Obstler-Diät gewesen. Aufmerksamen Filmfans wird das irgendwann auf die Nerven gehen.
Wenig subtil ist auch der Einsatz von Musik und Soundeffekten in diesem Film. An manchen Stellen verschwimmen die Grenzen zwischen effektiver Regie und Manipulation des Publikums, wenn uns Dramatik oder Entwicklung suggeriert wird, wo das Drehbuch leider nichts dergleichen liefert. Es ist immer wieder das dünne Drehbuch, das verhindert, dass wir die Figuren auf der Leinwand besser kennenlernen und vielleicht sogar Interesse an ihnen entwickeln.
Once upon a time, I was falling in love
Wenn uns Gia Coppola die Figuren immer in Nahaufnahmen und Halbtotalen, also stets aus der Nähe zeigt, vermittelt das einen trügerischen Eindruck. Denn keine einzelne dieser Figuren lernen wir im Verlauf des Films kennen. Was wir von der Cocktailkellnerin, den anderen Tänzerinnen oder dem Inspizienten der Show vermittelt bekommen, sind interessante Vignetten aber keine Charaktere. Und auch Shelley selbst lernen wir nicht viel besser kennen. Und das was wir kennenlernen, nimmt uns nicht für diese Person ein.
Man kann die Hauptfigur eines Films schon egozentrisch und dumm sein lassen (wenn dem nicht so wäre, hätte Adam Sandler keine Karriere). Doch dann muss eine solche Figur sich im Verlauf eines Films irgendwie entwickeln. Aber diese Shelley fühlt sich während des gesamten Films zu gut für jede andere Show oder Arbeit. Sie lässt eine verzweifelte, hilfesuchende Freundin nicht ins Haus (und verhindert so, dass mal so etwas wie Handlung stattfinden könnte). Sie sucht Kontakt zu ihrer erwachsenen Tochter, die bei Pflegeeltern aufgewachsen ist und wenn diese versucht, mit ihr über die Vergangenheit zu sprechen, gibt sie Sätze von sich, wie „I can’t defend myself anymore.“ oder „I have no regrets. None!“.
In einer Szene gegen Ende des Films beschämt Shelley sich selbst und andere. Aber das Drehbuch verweigert der Figur und damit auch dem Publikum jede Katharsis. Gleich in der nächsten Szene sucht und findet Shelley die Schuld für die eigene Lage nur bei anderen. Selbst am Ende des Films flüchtet diese „Heldin“, die sich selbst und ihr Leben nie realistisch oder kritisch betrachtet hat, nur in eine weitere Fantasievorstellung. Menschen wie diese Shelley kennen wir alle. Aber müssen wir unbedingt einen ganzen Spielfilm über sie sehen?
There’s nothing I can do, total eclipse of the heart
Wie bereits erwähnt, wirkt Gia Coppolas Regie nicht subtil, aber immer wieder effektiv. Die Nebendarsteller*innen hinterlassen einen stärkeren Eindruck, als es ihre unfertigen Charaktere zulassen sollten. Tatsächlich hätten wir gerne mehr über die von Kiernan Shipka („Longlegs“) oder Dave Bautista („Guardians of the Galaxy“) dargestellten Figuren erfahren. Aber das lässt das dünne Drehbuch eben leider nicht zu.
Nicht das geringste Bisschen subtil, aber sehr effektiv ist auch Jamie Lee Curtis‘ Darstellung einer Frau (fast?) am Ende eines langen Wegs, der nur nach unten geführt hat. Brenda Song lässt in ihren wenigen kurzen Szenen das „Hotel Zack und Cody“ weit hinter sich. Und Billie Lourd („Star Wars Episoide IX: jeder und sein Onkel darf nochmal“) verwirrt uns mit der Darstellung einer Rolle, für die sie deutlich 10 Jahre zu alt ist.
Viele Kritiker loben vor allem die Leistung von Pamela Anderson. Aber wofür genau lobt man Frau Anderson hier? Dafür, dass sie nach 38 Jahren als Schauspielerin (ebenso viele, wie ihre Figur in ihrem Business zugebracht hat) endlich mal in einem Film mitwirkt, der ihr nicht peinlich sein muss? Wenn Shelley im Film eine Tanzroutine kritisiert, ist dem aufmerksamen Filmfan schon klar, dass das alles dem entspricht, was Pamela Anderson vor fast dreißig Jahren in „Barb Wire“ zum Besten gegeben hat. Und natürlich verleiht das Andersons Darstellung eine interessante Meta-Wirkung.
Aber am Ende sehen wir Pamela Anderson hier eine nur leicht verfremdete, bloß deutlich ärmere Version dessen darstellen, was jahrzehntelang Andersons öffentliche Persona war. Das macht sie recht überzeugend. Aber nicht nur deshalb fragt man sich, warum hat Frau Anderson nicht längst mal etwas anderes ausprobiert? Eine ganze Generation von Independent-Filmemacher*innen hätte ihr sicher gerne ähnliche Chancen gewährt, als sie noch damit beschäftigt war, in Filmen wie „Blond und Blonder“, im „Big Brother“-Container oder mit Mörtel Lugner am Opernball aufzutreten.
Ist es nicht ein bisschen herablassend, wenn andere Kritiker Pamela Anderson jetzt überschwänglich für eine passable aber am Ende recht einseitige Leistung loben? Hat das nicht etwas von, „Na, das hätte man dem ehemaligen Playmate/der ehemaligen Rettungsschwimmerin gar nicht zugetraut“? Wenn man Andersons Vorgeschichte beiseitelässt, muss man feststellen Ihre Darstellung des letzten Showgirls passt zum Rest des Films: effektiv, aber nicht eben subtil und am Ende bleibt nicht allzu viel übrig.
Fazit
Ein viel zu dünnes Drehbuch wurde effektiv aber nicht eben subtil verfilmt. Pamela Andersons Leistung passt zum Film. Für ein gelungenes Drama hätten sowohl Drehbuch, Regie als auch Darstellerin aber einfach etwas mehr leisten müssen.
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