Es ist ein durchaus wagemutiger Film, den Jakob Laas und Ines Schiller hier präsentieren. Ein wilder Mix aus Improvisation, Fiktionalität, Doku und ...
... stilisierten Action-Choreografien, dem sie ein griffiges, neues Label verpasst haben: Martial Arthouse. Das ist auch durchaus zutreffend, denn „Tiger Girl“ ist ein Drama, das aber auch ein paar knackige Kampfszenen zu bieten hat.
Tiger & Vanilla
Vanilla (Maria-Victoria Dragus) möchte eigentlich Polizistin werden, schafft aber die Aufnahmeprüfung nicht. Das nächstbeste ist darum eine Schulung in einem Sicherheitsdienst, denn auch wenn Vanilla gerne davon schwadroniert, dass sie Menschen helfen und sozial wirken will, gibt es doch eigentlich nur einen Grund für ihren Berufswunsch: Sie will eine Uniform.
Das Problem ist, dass sie ein Mauerblümchen ist, das sich kaum wehren kann. Gegen sexuelle Annäherungen in einer Bar oder aber ein paar Schläger in der U-Bahn. Aber sie lernt Tiger (Ella Rumpf) kennen, die die Leute zwar abzieht, aber einem verqueren Ehrenkodex dabei folgt. Tiger mag Vanilla und stachelt sie an, aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen. Sie will ihre Freundin dazu bringen, sich zu nehmen, was sie will, aber als Vanilla erstmal Blut geleckt hat, gerät sie völlig außer Kontrolle, so dass Tiger eines klar wird: Wer den Wind sät, wird den Sturm ernten.
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Ehrlich und rau
Es ist erfrischend, eine deutsche Produktion zu sehen, die keine romantische Komödie oder ein Drama zur Vergangenheitsbewältigung darstellt, sondern frisch, modern, kühn und konsequent ist. Dabei wirkt der Film wegen der vielen improvisierten Einlagen sehr ehrlich. Gerade so, als würde man echten Menschen zusehen, die sich auch genauso verhalten.
Die beiden Hauptfiguren sind dabei besonders interessant. Die eine pfeift auf Konventionen, lebt in den Tag hinein, zieht Leute ab und tut, was sie will, die andere ist reserviert, höflich und zurückhaltend. Aber sie ist nur ein Engel aus Mangel an Gelegenheit, wie man im Verlauf des Films immer deutlicher erkennt.
Das Interessante ist dabei die Wechselwirkung, denn Vanilla lässt erst alle Hemmungen fallen, als Tiger sie beeinflusst. Aber dann ist es, als wäre ein Damm gebrochen. Sie wird immer rücksichtsloser, immer gemeiner und auch immer brutaler. Alles, was sie zuvor propagiert hat, war nur das Korsett, in dem man innerhalb eines zivilisierten Lebens steckt. Löst man sich davon, mag man frei sein, man bezahlt dafür aber auch einen hohen Preis.
Jung und dumm
Alles, was Vanilla antreibt, ist das Verlangen nach einer Uniform. Weil damit Autorität einhergeht. Aber als sie eine hat, missbraucht sie diese Autorität. Sie ist ein junges, dummes Mädchen aus prekären Verhältnissen, das nicht für sich einsteht. Darum ist sie auch von Tiger so fasziniert, aber diese wiederum begeht den Fehler, ein Monster zu erschaffen. Sie ist wie Frankensteins Schöpfer, der auch nicht ahnte, was er da entfesselt. Das gipfelt in einer coolen Kampfsequenz am Ende, die gängige Actionfilme zitiert, aber dann eigene Wege geht.
Ein eigentliches Ende gibt es nicht. Vielleicht, weil man gar nicht sehen will, wie das Ausbrechen aus dem System für Vanilla und Tiger enden wird. Weil man weiß, dass es kein gutes Ende nehmen wird, aber in dem Moment, in dem der Film abbricht, haben sie alles, was sie wollen. Perfekter wird es für beide nicht werden.
Fazit
„Tiger Girl“ ist die faszinierende Mixtur aus Drama und Action, die der improvisierten Einlagen wegen sehr rau und ehrlich erscheint.
Das ist es, was den Zuschauer in den Bann zieht, weil man das Gefühl hat, hier echten Menschen zu folgen, die drauf und dran sind, ihr ganzes Leben vor die Wand zu fahren. Das ist so spannend wie drastisch und war so im deutschen Film noch nie zu sehen. „Tiger Girl“ ist manchmal so intensiv, dass man es kaum aushält, aber dabei auch cool und nonkonformistisch.
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