Alle Welt, auch Hollywood, diskutiert über KI, und Gareth Edwards legt ...
... einen Film zum Thema vor, der erstaunlich verhalten beworben wurde. Sehen lassen kann sich „The Creator“ trotzdem.
Robotermädchen als Superwaffe
Irgendwie seltsam: Selbst wenige Tage vor dem Start des Science-Fiction-Thrillers „The Creator“ gibt es auf der Website des deutschen Disney-Arms keinen Hinweis auf den Kinostart des Films. Und das, obwohl er thematisch den Finger am Puls der Zeit hat. Der Grund für das Schweigen im Walde? Unbekannt!
Mit der Qualität kann es jedenfalls nicht zusammenhängen. Auch wenn das Etikett Meisterwerk, von dem manche US-Kritiker in kurzen Vorabstatements fabulierten, falsche Erwartungen weckt, bietet der originäre Stoff zwei Stunden Spektakelunterhaltung ohne große Schnitzer. Inmitten all der Remakes, Reboots, Prequels, Sequels und Spin-offs muss man froh sein, dass ein Regisseur rund 80 Millionen Dollar erhalten hat, um seine eigene, von bekannten Marken und Figuren losgelöste Vision zum Leben zu erwecken. Oft passiert so etwas heutzutage schließlich nicht mehr.
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Edwards, der mit „Godzilla“ und „Rogue One: A Star Wars Story“ nach seinem Leinwanddebüt „Monsters“ schnell im Big-Budget-Segment populärer Reihen landete, entwirft in seinem vierten Kinofilm eine interessante Zukunftswelt. Seit der Verwüstung von Los Angeles und dem Tod zahlreicher Bewohner durch einen von einer künstlichen Intelligenz gezündeten Sprengsatz hat der Westen hochentwickelten Maschinenwesen den Kampf angesagt.
Ein Dorn im Auge ist den USA und ihren Verbündeten die weiterhin rege Forschungstätigkeit in New Asia, wo schlaue Roboter längst in allen Lebensbereichen zum Einsatz kommen. Als im Jahr 2070 ein geheimnisvoller KI-Architekt – der titelgebende Creator – angeblich eine neue Superwaffe mit maximalem Vernichtungspotenzial fertiggestellt hat, schrillen bei den Gegnern der künstlichen Intelligenz alle Alarmglocken.
Der nach einem schiefgelaufenen Undercover-Einsatz traumatisierte und körperlich versehrte Ex-Elitesoldat Joshua (John David Washington) soll aufgrund seiner Ortskenntnisse die von Colonel Howell (Allison Janney) angeführte Spezialeinheit begleiten, die den Auftrag hat, ins Herz von New Asia vorzudringen, die Wunderwaffe aufzuspüren und sie zu zerstören. Selbstredend kommt es anders. Denn bei der Stürmung eines versteckten Laborkomplexes wird Joshua im Kugelhagel von seinen Begleitern getrennt und ergreift zusammen mit der mächtigen KI-Entwicklung, einem Robotermädchen (Madeleine Yuna Voyles), das er kurz darauf Alphie tauft, die Flucht.
Fest für die Augen
Schon der erste Trailer deutete auf ein Feuerwerk an atemberaubenden Bildern hin. Und was soll man sagen? Dieser Eindruck war nicht verkehrt. „The Creator“ sieht spektakulär aus, verbindet reale Schauplätze, echte Darsteller und digitale Elemente auf überzeugende Weise. Stellte der eine Woche früher gestartete „The Expendables 4“ noch unter Beweis, dass man mit einem Produktionsvolumen von knapp 100 Millionen Dollar erschreckend schwache Computereffekte und ernüchternde Künstlichkeit abliefern kann, gibt sich der für weniger Geld gefertigte Blockbuster von Gareth Edwards optisch keine Blöße.
In der detailverliebten Ausstattung vermischen sich Hightech-Komponenten und altmodische Gegenstände, sodass ein ganz eigener Kosmos entsteht. Besonders spektakulär sind die humanoiden KI-Figuren wie Alphie, die sich ganz natürlich in die Umgebung einfügen. Roboter hat es im Kino schon viele gegeben. Der Regisseur und seine Designer verpassen ihren Maschinenwesen jedoch eine ganz individuelle Note. Hut ab!
Recht kompetent baut Edwards auch Joshuas mit explosiven Actionmomenten garnierte Heldenreise auf, die gegen Ende allerdings einem überhasteten Hindernisparcours gleicht. Anfangs der KI gegenüber kritisch eingestellt, gelangt der Soldat auf seinem Weg mit Aphie zu neuen Erkenntnissen. Die zentralen Enthüllungen sind sicherlich nicht allzu überraschend.
Und manchmal greift der Zufall den Protagonisten etwas zu beherzt unter die Arme. Insgesamt lässt die Dramaturgie aber keine Langeweile aufkommen. Nichtsdestotrotz hätte die Handlung hier und da etwas ausgiebiger verweilen dürfen, um uns die Welt des Films noch näher zu bringen. Über einige Aspekte würde man nämlich gerne mehr erfahren. Warum zum Beispiel führen in New Asia manche Menschen auf dem Land ein einfaches, traditionelles Leben, wo künstliche Intelligenz doch allgegenwärtig ist? Werden die Leute von der Regierung kleingehalten? Oder ist ihre Art der Existenz selbstbestimmt? Fragen wie diese drängen sich mehrfach auf.
Vergleicht man „The Creator“ mit anderen Leinwandwerken über KI, fällt auf, dass bei Edwards keine düstere Sicht auf die Roboter vorherrscht. Schlimmer als alle hyperschlauen Maschinen ist für ihn immer noch der Mensch, der sich in Kriege stürzt und unseren Planeten über Jahrhunderte zugrunde gerichtet hat. Was die ethischen und philosophischen Fragen betrifft, die der Stoff zwangsläufig mit sich bringt, bleibt das Drehbuch leider sehr vage. An einer Stelle formuliert Alphie etwa den Wunsch, dass alle KI-basierten Wesen frei sein mögen.
Im weiteren Verlauf verpasst es der Film dann aber, diesen Gedanken genauer zu untersuchen. Dass sich Nervenkitzel und kluge Reflexionen zum Thema nicht ausschließen, zeigen Beiträge wie die Science-Fiction-Kammerspiele „Ex Machina“ oder „I Am Mother“. Gareth Edwards hingegen tippt Überlegungen oft nur an und gibt der Wucht der nächsten Actionsequenz meistens den Vorrang vor einer inhaltlichen Vertiefung. Auch das ein Grund, weshalb seine Regiearbeit eben nicht den Titel Meisterwerk verdient.
Fazit
Optisch imposantes Science-Fiction-Kino mit packenden Actionpassagen, das zwei Stunden lang gut zu unterhalten weiß. Schade ist allerdings, dass das hochaktuelle KI-Thema häufig nur auf Stichwortniveau verhandelt wird. Unter die Oberfläche hätte Gareth Edwards ruhig häufiger schauen dürfen.
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