Mystery-Horror aus verschiedenen Perspektiven.
Wo sind unsere Kinder hin?
Zach Creggers neuer Spielfilm kommt mit gewaltigen Vorschusslorbeeren daher. Nach dem Erfolg seines Horrorthrillers „Barbarian“ (2022), der hierzulande „bloß“ im Programm des Streamingdienstes Disney+ veröffentlicht wurde, rissen sich die Studios förmlich um das nächste Projekt des als Schauspieler bekannt gewordenen US-Regisseurs. Angeblich schon zu einem Zeitpunkt, da das Drehbuch noch gar nicht fertig war. Wie zu hören ist, sollte „Weapons - Die Stunde des Verschwindens“ eigentlich erst Anfang 2026 erscheinen. Gute Testscreenings bewogen die Entscheidungsträger wohl aber dazu, den Start auf August 2025 vorzuziehen. Wie dem auch sei – festhalten lässt sich auf jeden Fall, dass um das Mystery-Gruselstück vorab ein veritabler Hype entstanden ist.
Hat die Euphorie ihre Berechtigung? Oder erweist sich der Film unter dem Brennglas dann doch nur als konventionelle Genrekost? Weder noch, lautet das Urteil. Einmal mehr beweist Cregger seine Fähigkeit, eine griffig-packende Ausgangslage zu kreieren und innerhalb dieser mit Zuschauererwartungen und erzählerischen Mustern zu spielen. „Barbarian“ überraschte vor allem durch seine krassen Perspektiv- und Richtungswechsel. Auch „Weapons - Die Stunde des Verschwindens“ schlägt immer wieder Haken, bricht die klassische Hollywood-Dramaturgie auf und erzeugt in manchen Passagen eine enorme Intensität. Ähnlich wie in seinem Vorgängerwerk verliert sich der Regisseur allerdings irgendwann im Bemühen, ständig einen draufzusetzen.
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Aber der Reihe nach: Auslöser der Handlung ist das mysteriöse Verschwinden von 17 Schülern einer Klasse, die eines Nachts exakt zur selben Zeit, nämlich um 2:17 Uhr, ihre Betten verlassen, nach draußen laufen und wie in Trance in die Dunkelheit der US-Kleinstadt Maybrook entschwinden. Wohin es sie verschlagen hat, weiß niemand, weshalb im Ort eine beklemmende Stimmung herrscht. Dass Wut und Ratlosigkeit den Menschen zu schaffen machen, verdeutlicht Cregger bei einer Versammlung anlässlich der Wiedereröffnung der vorübergehend geschlossenen Schule. Justine Gandy (Julia Garner), die Lehrerin der bis auf einen Jungen komplett vermissten Klasse, will dort ihre Betroffenheit zum Ausdruck bringen, hat aber keine Chance gegen die wütenden Fragen und Anschuldigungen der anwesenden Eltern. Besonders Bauunternehmer Archer Graff (Josh Brolin) unterstellt ihr, mit der Sache zu tun zu haben, und fordert sie auf, endlich auszupacken.
Dichte Inszenierung
Justine, die bereits in der Vergangenheit mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte, greift in dieser verfahrenen Lage zur Flasche und versucht, mit Alex Lilly (Cary Christopher), jenem übriggebliebenen Schüler, in Kontakt zu treten. Trotz anderslautender Anweisungen ihres Vorgesetzten Marcus (Benedict Wong). Scheint das von Cregger verfasste Drehbuch zunächst die Hetzkampagne gegen Gandy ins Zentrum zu rücken, eröffnen sich schnell neue Blickwinkel, geraten rasch weitere Charaktere in den Fokus.
„Weapons - Die Stunde des Verschwindens“ ist in unterschiedliche Kapitel aufgeteilt, die jeweils den Namen der Figur tragen, durch deren Augen wir eine Zeitlang auf das Geschehen schauen. Inspiriert, wie der Regisseur selbst zu Protokoll gab, von Paul Thomas Andersons Episodenfilm „Magnolia“ (1999), entfaltet sich langsam ein Kleinstadtkosmos, den das Verschwinden der 17 Kinder nachhaltig erschüttert hat. Reizvoll ist die puzzleartige Erzählweise nicht nur, weil wir einige bereits gezeigte Szenen noch einmal aus einer anderen Sicht erleben. Interessanterweise erfahren wir mit jedem neuen Kapitel auch etwas mehr über die Eigenschaften und Geheimnisse mancher Personen. Streifenpolizist Paul Morgan (Alden Ehrenreich) etwa belügt Justine über seinen aktuellen Beziehungsstatus und bringt sie dadurch in Schwierigkeiten.
Das Händchen des Regisseurs für echtes Unbehagen kommt in „Weapons - Die Stunde des Verschwindens“ mehrfach zum Vorschein. Schon die Grundstimmung ist angesichts des Mysteriums im Zentrum nicht gerade gemütlich. Schade nur, dass sich Cregger manchmal offenbar genötigt sieht, die gespenstische Atmosphäre mit konventionellen, eher plumpen Geisterbahneffekten aufzupeppen.
08/15-Schocks, die man aus so vielen lieblos zusammengebastelten, auf Autopilot laufenden Mainstream-Horrorwerken kennt. Als Ausgleich schüttelt er dafür aber regelmäßig druckvoll inszenierte Sequenzen aus dem Ärmel, in denen es zu dramatischen Konfrontationen kommt. Beispielhaft ist hier eine Verfolgungsjagd zwischen Paul und dem Junkie James (Austin Abrams), die den Puls des Zuschauers, nicht zuletzt dank einer bedrohlich wummernden Musikuntermalung, nach oben treibt.
Zunehmend aus der Spur gerät die schauerliche Kleinstadtmär mit dem Auftauchen einer betont überzeichneten Figur. Makabrer Humor drängt nun vermehrt in die Handlung, die auch weiterhin ihre Momente hat. Gleichwohl ist das Zusammenspiel von Grauen und absurder Komik ausbaufähig. Die Auflösung des zentralen Geheimnisses haut einen nicht gerade um. Spannung wird von grellen Gewaltausbrüchen verdrängt. Und am Ende kann man sich durchaus fragen, auf was genau Cregger mit seiner Geschichte eigentlich hinauswill. Irgendwie geht es in „Weapons - Die Stunde des Verschwindens“ um vieles, unter dem Strich aber auch um wenig Handfestes.
Fazit
Ungewöhnlich konstruiertes, effektiv inszeniertes Horrorrätsel, dem es in den letzten 40 Minuten allerdings an Substanz und Balance fehlt.
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