Wir haben schon mehrmals darüber berichtet: Hollywood bringt in den letzten Jahren ...
... immer wieder recht altmodische Filme heraus. Manchmal ist das etwas Gutes.
Call out the instigators, because there’s something in the air
Ein kleiner Strippenzieher in der Unterwelt von Boston hat eine Idee: am Wahlabend kassiert der langjährige Bürgermeister während der Wahlparty traditionell immer jede Menge „Spenden“ in Form von größeren Bargeldsummen. Diesmal könnte man diese Party doch einfach in den frühen Morgenstunden überfallen. Alles was man braucht, um den Plan auszuführen, sind ein paar verzweifelte Deppen mit Geldsorgen. Aber was, wenn nicht alles nach Plan läuft? Was dann?
„The Instigators“ ist ein angenehm altmodischer Film. Er beschwört den Stil großartiger Actionkomödien der Achtzigerjahre wie „Beverly Hills Cop“ oder auch mittlerweile weniger bekannter Beispiele wie „Stakeout“ mit Richard Dreyfuss oder „Running Scared“ mit Billy Crystal und dem viel zu früh verstorbenen Gregory Hines. Das liegt zunächst mal am Drehbuch von Casey Affleck und Chuck MacLean, das sich wohltuend vom üblichen überdrehten und unrealistischen Hahaha-Krachbumm-Hahaha-Krachbumm-Muster abhebt, das schon lange nur noch nervt.
Im ersten „Beverly Hills Cop“ gibt es am Anfang eine wilde Verfolgungsjagd durch Detroit, eine halbe Stunde später wird Eddie Murphy durch ein Fenster geworfen, es kommt zu einem kurzen Handgemenge in einer Stripbar, der Held fährt einmal bei Rot über eine Ampel um Verfolger abzuhängen und dann kommt auch schon die Schießerei am Ende. Bereits Teil Zwei war einige Jahre später viel mehr Actionfilm als Komödie und voll unnötiger und vor allem unrealistischer Action. Als ich neulich in Teil Vier sehen musste, wie der Held wenige Minuten nach seiner Ankunft komplett sinn- und grundlos mit einem Polizei-Dreirad durch Beverly Hills schießt, konnte ich auch diesen Teil meiner Jugend abhaken.
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„The Instigators“ zeigt uns genau diese vier nicht komplett überdrehten, nicht komplett unrealistischen Actionszenen, die eine gute Actionkomödie braucht. Nicht mehr und nicht weniger. Diese werden von Regisseur Doug Liman kongenial in Szene gesetzt. Die erste Verfolgungsjagd funktioniert nachvollziehbar (ein neuer Dreier-BMW ist amerikanischen Streifenwagen einfach klar überlegen), bei der zweiten Verfolgungsjagd vermittelt er uns die schiere Maße der beteiligten Fahrzeuge überzeugend und lässt weder den Löschwagen der Feuerwehr noch den Panzerwagen der Polizei Kunststücke aufführen, mit denen jedes Rally-Fahrzeug überfordert wäre.
Regisseur Doug Liman weiß eben was er tut. Der Mann hat vor mehr als zwanzig Jahren mit „Die Bourne Identität“ das Actionkino revolutioniert und die Macher der James-Bond-Filme damals dazu gebracht, nach vier Jahrzehnten mal ihr Konzept zu überdenken.
Aber nicht nur die Action stimmt in diesem Film, sondern auch der noch viel wichtigere Teil, die Comedy. Die meisten Helden der nach wohlbekanntem Muster gedrehten Actionkomödien sind superschlagfertige Dauerlieferanten witziger one-liner. Wir haben uns bereits daran gewöhnt, dass Ryan Reynolds und seine vielen, vielen Nachahmer in jedem ihrer Filme praktisch extrem aggressive Stand-Up-Comedians auf Verbrecherjagd sind. Reynolds selbst hat so oft das illegitime Kind von Don Rickles und Charles Bronson gespielt, dass es mittlerweile ermüdend wirkt.
Auch hier gehen „The Instigators“ einen erfrischend anderen Weg, der jüngeren Filmfans neu erscheinen mag. Das Drehbuch lässt seine Protagonisten wirklich witzige Situationen erleben, die nicht erst durch die one-liner der Helden witzig wirken. Und die Dialoge in diesem Film sind umso witziger, weil sie ungefähr dem entsprechen, was echte Menschen in solchen Situationen wohl von sich geben würden. Nachdem nichts, aber auch wirklich gar nichts an dem Überfall nach Plan verlaufen ist und die beiden Gelegenheitsräuber überall auf viel mehr Widerstand stoßen als erwartet, gibt eine der Figuren einen herrlich komischen Stoßseufzer von sich: „Fucking heroes everywhere!“.
Gags wie dieser oder ein Dialog in einem Fluchtfahrzeug („Put it in gear!“ „I did!“ „Put it in another gear!“) sind nicht nur auf eine angenehm unaufgeregte und unaufdringliche Art gut geschrieben, sie profitieren auch von Regisseur Doug Limans grandiosem Sinn für Timing. Wie wichtig Timing für Comedy ist und wie viel Gespür Liman dafür hat, erkennen wir im letzten Dialog zwischen Casey Affleck und Matt Damon. Damon serviert hier ganz lässig, wie nebenbei eine Pointe, die über eine Stunde aufgebaut wurde. Das ist großes Kino.
Ball of confusion
Bei der Besetzung haben die Produzenten (unter ihnen u.a. Matt Damon und der ältere Bruder seines Co-Stars, Ben Affleck) alles richtig gemacht. Sie haben sich einfach für jede noch so kleine Rolle erfahrene Profis gesucht, die ganz genau wissen, was sie tun. Schwergewichte wie Paul Walter Hauser („I Tonya“), Michael Stuhlbarg („Bones and all“), Ving Rhames (sämtliche „Mission: Impossible“), Alfred Molina („Boogie Nights“), und Ron Perlman (der einzige echte „Hellboy“, accept no substitutes!) haben in diesem Film teilweise nur zwei oder drei Szenen und nur wenige Zeilen Dialog. Aber jeder einzelne von ihnen wertet jede dieser Szenen immens auf und liefert seinen Dialog so brillant, man meint fast, diese Bande von Gangstern und korrupten Würdenträgern würde einen persönlich ansprechen.
Die großartige Hong Chau hat ihrem Co-Star Matt Damon bereits in „Downsizing“ die Show gestohlen. Letztes Jahr war sie für den Schmachtfetzen „The Whale“ für einen Oscar nominiert. Und erst kürzlich wusste Yorgos Lanthimos in „Kinds of Kindness“ ihr Talent überhaupt nicht zu nutzen. Hier spielt sie absolut überzeugend eine vernünftige Frau unter lauter impulsgesteuerten, überforderten Männern und bildet sowohl das emotionale als auch intellektuelle Zentrum dieses Films. Oder wie sie selbst es im Interview ausdrückt: „It’s about a woman and a bunch of morons.“
Casey Affleck zeigt seine überzeugendsten Leistungen immer dann, wenn er wenig intelligente Vertreter der Unterschicht darstellt, wie er das seit „Good Will Hunting“ immer wieder tun durfte. So gesehen hat er sich die Rolle in seinem neuen Film auf den Leib geschrieben. Bereits die Szene, mit der seine Figur eingeführt wird, ist einfach herrlich geschrieben und noch besser dargestellt. Und das Publikum weiß sofort, mit was für einer Sorte Kerl es zu tun hat.
Seit bald dreißig Jahren fehlt mir an fast jeder von Matt Damons Darstellungen irgendetwas. Schon in „Mut zur Wahrheit“ habe ich ihm nichts so recht abnehmen wollen. Bei „Der Soldat James Ryan“ fragte ich mich, warum man ausgerechnet IHN mit so großem Aufwand retten musste. Vor allem in Dramen, wie „Le Mans 66“ oder „Suburbicon“, wirkt Damon neben wirklich überzeugenden Co-Stars immer etwas blass. Am besten funktioniert Matt Damon als Schauspieler, wenn er Figuren darstellt, die gar nicht recht wissen, was vorgeht. Als cooler Held funktioniert er gar nicht. Deshalb ist der erste „Jason Bourne“-Film seinen Nachfolgern auch weit überlegen und deshalb kann man Filme wie „The Great Wall“ auch nicht ernst nehmen.
Hier spielt Damon einen Mann, der gar nicht recht weiß, was vorgeht, sich dessen aber wohl bewusst ist. Wenn dieser Rory bereits in der ersten Szene erklärt, „I fuck things up“ lässt das viel Einsicht erkennen. Vielleicht weil Damon in „The Instigators“ kein Held sein will oder kann, zeigt er hier eine sehr reife Darstellung und wirkt vielleicht zum ersten Mal in seiner Karriere sogar ein bisschen, aber nur ein bisschen cool.
Fazit
Eine nette, altmodische Actionkomödie. Die Action passt, die Komödie ist witzig und sogar das bisschen Drama im Film funktioniert.
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