Prequel und Sequel zugleich: Mit seinem Disney-Musical dockt Barry Jenkins...
... an das „Der König der Löwen“-Remake von 2019 an und taucht in die Vorgeschichte Mufasas ein.
Independent-Regisseur am Werk
Unter all den Disney-Zeichentrickfilmen gehört „Der König der Löwen“ aus dem Jahr 1994 wohl zu den beliebtesten und bekanntesten. Die Heldenreise des kleinen Simba, der seinen Vater durch einen hinterhältigen Mord verlor und seinen durchtriebenen Onkel Scar Jahre später vom Thron stieß, rührte unzählige kleine und große Zuschauer zu Tränen. Nicht zuletzt dank der einprägsamen Lieder, die kein Geringerer als Elton John komponierte. „Der ewige Kreis“, „Hakuna Matata“ und „Kann es wirklich Liebe sein“ gingen ins Ohr und blieben im Kopf.
25 Jahre nach Veröffentlichung des Leinwandklassikers erschien eine unter der Regie von Jon Favreau entstandene Neuverfilmung, die den traditionellen Gestaltungsstil gegen fotorealistische Computeranimationen eintauschte. „Der König der Löwen“ anno 2019 beeindruckte mit prächtigen Tier- und Landschaftsbildern, klebte nach dem Geschmack vieler Kritiker aber ein bisschen zu sehr an seiner Vorlage. Inhaltliche Abwandlungen, frische Perspektiven suchte man vergebens, was dem Siegeszug des Remakes jedoch keinen Abbruch tat. In Massen strömten die Menschen in die Kinos und pushten das weltweite Einspielergebnis auf über 1,6 Milliarden Dollar.
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https://cinepreview.de/index.php/item/1084-mufasa-der-koenig-der-loewen-kinostart-19-12-2024#sigProIdaa7f9ad11c
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Eine Zahl, die natürlich eine Fortführung des Erfolgs schier unumgänglich machte. Wo die Hollywood-Studios ordentlich Geld verdienen können, sagen sie niemals „Nein!“. Betraut mit der Aufgabe wurde der aus dem Independent-Bereich kommenden Barry Jenkins, dessen intime Arbeiten „Moonlight“, „Beale Street“ und „The Underground Railroad“, eine Serie für Prime Video, afroamerikanische Lebenswelten erforschten. Nun also der Sprung hinüber ins Blockbuster-Schaffen, wo andere Gesetze gelten, alles auf ein möglichst breites Publikum zugeschnitten sein muss.
Rafiki als weiser Erzähler
Interessant ist auf jeden Fall der Ansatz, den der Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nathanson für „Mufasa: Der König der Löwen“ wählen. Denn ihr Film ist Prequel und Sequel in einem. Einige Zeit nach den Ereignisse aus dem Vorgänger muss sich Simba (Originalsprecher: Donald Glover), der aktuelle König der Löwen, um seine Gefährtin Nala (Beyoncé Knowles-Carter) kümmern, die in Kürze zum zweiten Mal ein Baby zur Welt bringen wird. Ihre gemeinsame Tochter Kiara (Blue Ivy Carter) bringt er sicher unter und der weise Affe Rafiki (John Kani) nutzt die Gelegenheit, um der kleinen Raubkatze von ihrem Großvater Mufasa zu erzählen.
Aus dieser Rahmenhandlung, in der auch das Erdmännchen Timon (Billy Eichner) und das Warzenschwein Pumbaa (Seth Rogen), die chaotischen Sidekicks aus dem ersten Film, anwesend sind, entspringt der sich in langen Rückblenden entfaltende Hauptplot: Als Kind wird Mufasa (Braelyn Rankins) durch eine plötzlich hereinbrechende Flut von seinen Eltern getrennt und treibt verloren durch Gebiete, die er zuvor noch nie gesehen hat. Rettung naht in Gestalt des etwa gleichaltrigen Löwenprinzen Taka (Theo Somolu), der Mufasa vor gefräßigen Krokodilen bewahrt. Einer Aufnahme in seine Familie stellt sich Takas strenger Vater Obasi (Lennie James), der Fremde hasst, zunächst entgegen. Dessen Gemahlin Eshe (Thandiwe Newton) setzt sich jedoch für den Neuankömmling ein und bewirkt, dass er im Kreis der Weibchen aufwachsen darf.
Auch Jahre später sind Mufasa (nun gesprochen von Aaron Pierre) und Taka (Kelvin Harrison Jr.) noch beste Freunde und wetzen gemeinsam umher, was Obasi ein Dorn im Auge ist. Eines Tages taucht mit dem weißen Löwen Kiros (Mads Mikkelsen) ein rachsüchtiger Feind auf, der die Macht an sich reißen will. Mufasa und der in akuter Gefahr schwebende Thronfolger müssen fliehen, treffen auf ihrem Weg Verbündete und spüren stets den Atem ihrer Verfolger.
Taka wird zu Scar Hielt sich die Neuverfilmung von 2019 fast sklavisch an den Trickfilmklassiker, führt „Mufasa: Der König der Löwen“ einige Neuerungen ein. Überraschend sind vor allem zwei Dinge: Simbas Vater kommt ursprünglich nicht aus einer königlichen Familie, sondern gelangt als Welpe erst in eine solche. Noch dazu sind er und sein hinterlistiger Bruder Scar nicht blutsverwandt. Wie schon der offizielle Trailer verrät, wird nämlich aus Taka später eben jener Bösewicht, den wir aus dem Original und dem Remake kennen.
In „Der König der Löwen“ waren Schicksal und Familie noch eng miteinander verbunden. Immerhin fühlte sich Simba berufen, als Erbe in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Scar für seinen Verrat zu bestrafen. „Mufasa: Der König der Löwen“ bricht diesen Gedanken etwas auf und betont: Herrscher wird man nicht qua Herkunft, sondern dadurch, wie man handelt. Während Eshe schon früh Mufasas besondere Fähigkeiten erkennt und ihn lobt, hadert der eigentliche Thronfolger Taka mit seiner Rolle und den Erwartungen seines strengen Vaters, der ein starres patriarchales System verkörpert.
Die Freundschafts- bzw. Geschwisterkonstellation im neuen Film hat Potenzial. Doch leider gerät die Entwicklung der zwei Löwen zu ungenau, um vollauf zu berühren. Den Bruch zwischen den Protagonisten führt dann auch ein uraltes Drehbuchklischee herbei: Beide interessieren sich für das Weibchen Sarabi (Tiffany Boone), mit dem sie sich auf ihrer Flucht zusammentun. Mufasas Heldenreise wirkt etwas glatt, kommt ohne große Momente des Zweifelns daher – was ihn ein bisschen eindimensional erscheinen lässt. Spannender, weil ambivalenter ist dagegen Taka, dessen drastische Wandlung in einer Szene allerdings arg plötzlich vonstattengeht.
Bilder zum Staunen
Überhaupt gibt es in der letzten halben Stunde einige erzählerische Unebenheiten. Zum Beispiel wirkt eine packend gedachte Motivationsrede gar nicht so mitreißend wie behauptet. Im Vergleich mit dem Vorgänger fällt außerdem auf, dass die komischen Einlagen von Timon und Pumbaa weniger verfangen. In „Der König der Löwen“ hatten sie noch eine nicht unwichtige Rolle für die Handlung. Dieses Mal sind sie aber bloß Zaungäste, die Rafikis Schilderungen gelegentlich mit bemühten Metawitzen kommentieren.
Die von Lin-Manuel Miranda geschriebenen neuen Lieder sind schmissig, haben mitunter Groove, etwa die von Kiros zum Besten gegebene Nummer „Bye Bye“. Klassikerstatus dürften die Songs jedoch nicht erreichen. Dafür fehlt schlicht das gewisse Etwas.
Auf ganzer Linie punkten kann „Mufasa: Der König der Löwen“, wenig verwunderlich, in visueller Hinsicht. Live-Action-Filmtechniken und fotorealistische Computeranimationen werden geschickt verschmolzen. Immer wieder laden die Bilder von Tieren und Landschaften zum Staunen ein. Auch deshalb, weil sich die Macher um Abwechslung bemühen. Ausgedörrte Wildnis, schneeumtoste Gebirgspanoramen und in sattem Grün erstrahlende Welten – all das gibt es hier zu sehen. Die Aufmerksamkeit des Publikums bindet Barry Jenkins ferner mit zahlreichen dynamischen Actionsequenzen, die teils ungewöhnliche Perspektiven einnehmen. Inszenatorisch läuft wenig falsch. Die Drehbuchmängel lassen sich dadurch aber nicht einfach so beiseite wischen.
Fazit
„Mufasa: Der König der Löwen“ ist Abenteuerkino, das man ob seiner prächtigen Optik unbedingt auf der großen Leinwand schauen sollte. Inhaltlich reißt der Film gute Ideen an, lässt aber auch einiges an Potenzial liegen, weshalb längst nicht alle emotionalen Momente bestmöglich funktionieren.
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