Filme wie „Die Schule der magischen Tiere 3“ zeigen klar die Grenzen von Filmkritik auf.
Sie zeigen aber auch, warum hochwertige, informative Filmkritik so wichtig ist ...
Halt! Das ist unser Wald!
Obwohl sie alle „Die Schule der magischen Tiere“ besuchen, haben manche Schüler bereits ihre magischen Tiere, z.B. Jo einen Pinguin und Ida einen Fuchs, während Helene ihre Katze und Silas sein Krokodil erst in diesem Film bekommen. Dass jede Menge andere Schüler dieser Schule ihr wichtigstes Unterrichtsmaterial überhaupt nicht bekommen, zeigt wieder einmal, wie es um die Bildungspolitik in diesem Land bestellt ist.
Oder wie schlampig und nachlässig man ganz allgemein bei der Herstellung von Kinderfilmen vorgeht. Zurück zur Handlung: Helene und Silas müssen ihre Lektionen über Verantwortung und Gemeinschaft lernen, ein Wald muss durch mittelmäßiges Singen und Tanzen gerettet werden und gute anderthalb Stunden später sind alle glücklich und zufrieden.
Der einzige immer etwas unangenehme Teil von Pressevorführungen spielt sich ganz am Ende dieser Veranstaltungen ab. Wenn nämlich wir Vertreter der Filmpresse einfach nur den Saal verlassen und unserer Wege gehen wollen, stehen an irgendeiner Engstelle immer die freundlichen Vertreter des Veranstalters und fragen einen nach der Meinung zum Film. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wozu das gut sein soll. In einem der beiden regelmäßig für Pressevorführungen genutzten Kinos meines Wohnorts verschwinde ich nur deshalb immer durch einen Nebenausgang, den meistens nur ich benutze. Leider fand die Pressevorführung zu „Die Schule der magischen Tiere 3“ in dem anderen der beiden Kinos statt.
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Als der freundliche Herr von der Presseagentur mich also nach meiner Meinung zum Film fragte, antwortete ich, „Ist doch ohnehin gleichgültig, was wir alle schreiben. Der Film wird ohnehin wieder der erfolgreichste deutsche Film des Jahres.“. Daraufhin haben wir beide laut losgelacht. Der Vertreter des Verleihs aufrichtig fröhlich, weil sein Job an dem Tag so einfach war. Ich ein bisschen bitter, weil mein Job an dem Tag gar nicht einfach war. Und weil ich wusste, wie recht ich mit meiner Aussage hatte.
Die Deutsche Filmakademie verleiht seit gut siebzig Jahren den „Deutschen Filmpreis“ in verschiedenen Kategorien. Seit ungefähr zehn Jahren wird auch ein „Deutscher Filmpreis“ in der Kategorie „Besucherstärkster Film“ verliehen (und ich will jetzt hier nicht darüber schreiben, wie leicht es sich die Deutsche Filmakademie mit dieser Kategorie macht. Naja, leicht. Sehr leicht.). Ich nehme an der Stelle mal die Spannung raus. Preisträger dieser Kategorie im Jahr 2022: „Die Schule der magischen Tiere“. Preisträger dieser Kategorie im Jahr 2023: „Die Schule der magischen Tiere 2“. Ist ein Muster erkennbar?
Der Preisträger des Jahres 2024 war übrigens „Die drei ??? – Erbe des Drachen“, was zwei Fragen aufwirft: Erstens, wieso hat man letztes Jahr keinen Film über die Schule der magischen Tiere herausgebracht? Hatte man kurzzeitig das Interesse an Geld verloren? Und zweitens, gehen Erwachsene gar nicht mehr ins Kino? Die Antwort auf die zweite Frage lautet: doch, aber fast nur noch mit ihren Kindern.
Das Kino steckt nicht nur in Deutschland in seiner größten Krise seit der Erfindung des Fernsehens. Niemand geht mehr ins Kino. Wozu auch? 4 von 5 Kinos sind winzig. Und selbst in diesem einen großen Saal, der eine Bezeichnung wie „Atmos“, „Lounge“, „Tralala“ oder so ähnlich trägt und für den die Tickets nochmal deutlich teurer sind, wird der Ton nie richtig aufgedreht, weil hinter den dünnen Rigips-Wänden ja die anderen winzigen Säle liegen und man die Fanfare der „Avengers“ nicht lauter hören soll, als die doofen Dialoge der schnulzigen Rom-Com nebenan. Die in einem deutschen Durchschnittskino gebotene Bild- und vor allem Tonqualität bekommen die meisten Leute locker auch in ihrem Wohnzimmer geboten.
Aber mit Kindern geht man ins Kino. Und das nicht zu knapp. Wer schon mal versucht hat, an einem regnerischen Sonntagnachmittag in der Nähe eines Multiplex einen Parkplatz zu finden, weiß wovon ich schreibe. Ganze Flotten von Mini-Vans und SUVs entladen die darin angereisten Familien in die Kinos, die ihr Programm ganz auf dieses Publikum ausgerichtet haben. Weil mir diese Rezension nicht zu zynisch geraten sollte, schreibe ich jetzt nicht, worin der Reiz eines Kinobesuchs mit den eigenen Kindern besteht. Die geneigten Leser*innen dürfen aber gerne selbst darüber nachdenken, wie viele Freizeitaktivitäten es für moderne Eltern gibt, während derer ihr Nachwuchs mal zwei Stunden die Klappe halten muss.
Und es ist ja absolut begrüßenswert, wenn die Eltern ihre Kinder früh mit der verstaubten alten Institution Kino vertraut machen. Als Filmkritiker aber auch als Filmfan würde man sich nur wünschen, die Macher dieser vielen, vielen natürlich erfolgreichen deutschen Kinderfilme würden sich ein bisschen mehr Mühe geben. Woanders funktioniert das doch auch. Die Drehbücher für Pixar- oder Disneyfilme vermitteln nachvollziehbar, kindgerecht und immer unterhaltsam wie Pubertät abläuft oder Depressionen oder dysfunktionale Familien entstehen. Das Drehbuch für „Die Schule der magischen Tiere 3“ ist eine krude Mischung aus einer unlustigen Sitcom, einer billigen Vorabendserie im Stil von „Köln 90210“ und einer Bravo-Fotolovestory. Nur eben ohne Alkohol und Fummeln.
Das Leben wird süß, zuckersüß, Karamell
Man kann die Art, wie die nicht weniger als 5 (in Worten: fünf!) Drehbuchautoren Sven Unterwaldt, Thorsten Näter, Viola M. J. Schmidt, Barbara Te Kock und Ursula Gruber ihre Binsenweisheiten an das Kind bringen wollen schon nicht mehr einfach „plump“ nennen. „Plump“ wird zum Hilfsausdruck bei Dialogen wie, „Was ist los mit Dir?“ „Ich komme nicht mehr klar“. Und Liedtexte wie „Wer macht unsere Luft zum Atmen, wenn die Bäume nicht mehr da sind?“ lassen die Grenzen des Adjektivs „plump“ weit hinter sich. Die lächerlichen Verwicklungen und die vielen klebrig süßen Happy Ends für jede einzelne Figur werden von Sven Unterwaldt wie eine sehr verzweifelt wirkende Fernsehwerbung inszeniert.
Man hat mir schon auf subtilere Art in die Eier getreten. Sven Unterwaldt ist ein alter Freund von Otto Waalkes und durfte daher jeden Otto-Film dieses Jahrtausends inszenieren, von „7 Zwerge –Männer allein im Wald“ bis „Catweazle“ (Kann sich außer mir noch jemand daran erinnern, dass Ottos erster Spielfilm 1985 von Xaver Schwarzenberger, dem langjährigen Kameramann Rainer Werner Fassbinders, inszeniert wurde? Nein? Dachte ich mir. Einfach mal bei Gelegenheit die filmische Qualität vergleichen.). Weil Waalkes nicht mehr der Jüngste ist, dreht Unterwaldt auch Kinderfilme wie „Vier zauberhafte Schwestern“, „Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft“ (übrigens auch mit Otto Waalkes) oder eben „Die Schule der magischen Tiere 2“.
Otto Waalkes ist ein erfahrener Vollprofi, der genau weiß was er tut, ... unter anderem weil er seit mehr als fünfzig Jahren das Gleiche macht. Otto braucht seinen Regisseur vielleicht gerade noch dazu, damit der ihm sagt, aus welcher Richtung er gleich gefilmt wird. Bei jungen Darsteller*innen sieht das aber ganz anders aus. Ich zitiere mal aus meiner Rezension zu Unterwaldts „Vier zauberhafte Schwestern“: „... gerade Kinderschauspieler brauchen einen kompetenten Regisseur, der sich Zeit nimmt, mit ihnen die Rollen zu erarbeiten und ihnen beibringt nicht zu übertreiben. Hier wurden die armen Kinder offensichtlich sich selbst überlassen.“
Das Gleiche gilt für die jugendlichen Darsteller in Unterwaldts neuem Film. Man sieht den jungen Leuten zu und kann immer nur denken, dass sie sicher alle ganz reizende und nette junge Menschen sind, aber hoffentlich passen sie in der Schule alle gut auf (der richtigen, nicht der mit den magischen Tieren), damit sie auch was Gescheites lernen. Denn von der Schauspielerei wird keine und keiner von ihnen jemals leben können.
Aber anderseits können erfahrenen Profis, wie Justus von Dohnányi und Milan Peschel von der Schmiere leben, die sie in diesem Film abziehen. Also haben die jungen Talente vielleicht doch noch eine Zukunft in der Filmbranche vor sich. Möglich ist alles. Über die Synchronstimmen der Tiere kann man sagen, dass die Synchron-Profis wie Katharina Thalbach und Felix Kramer alle deutlich sprechen. Und wenn Rick Kavanian ausnahmsweise mal auf einen komischen Akzent verzichtet, ist das doch auch schon etwas Positives. Man sollte sich im Leben ohnehin immer auf das Positive konzentrieren. Und ich möchte auch diese Rezension gerne positiv enden lassen.
Wenn also der dritte Teil dieser Filmreihe Eltern und Kindern Gelegenheit bietet, einen gemeinsamen Nachmittag im Kino zu verbringen ist das doch positiv. Und wenn die freundlichen Herrschaften vom Verleih uns Kritiker zur Pressevorführung einladen, obwohl das gar nicht nötig wäre, ist das auch positiv. Anspruchsvolle Filmkritik, die das Publikum auf hochwertige Filme hinweist und behilflich ist, misslungene Filme bereits vor dem Ticketkauf zu erkennen, ist nämlich nicht nur positiv sondern wichtig. Und sie wird in Zukunft immer wichtiger werden. Es wächst nämlich gerade eine Generation von Filmfans heran, deren prägende erste Kinoerfahrungen die verschiedenen Teile der „Schule der magischen Tiere“ gewesen sein werden. Und diesen jungen Leuten muss auch in Zukunft geholfen werden.
Fazit
Der Film, der nächstes Jahr den deutschen Filmpreis als „Besucherstärkster Film“ kassieren wird, ist leider wieder recht banal und vor allem plump ausgefallen. Wenn die Institution Kino nur mit solchen und ähnlichen Filmen für die nächste Generation am Leben erhalten werden kann, dann muss das wohl so sein.
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