Beetlejuice Beetlejuice - Kinostart: 12.09.2024

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Wenn einem Film nach mehr als fünfunddreißig Jahren eine Fortsetzung widerfährt, ...
 
... braucht diese Fortsetzung zweierlei: genug Neues, das die Fortsetzung bereichert. Und genug Altes und Vertrautes, das aber immer noch irgendwie funktionieren sollte …
 
Someone left the cake out in the rain
 
Lydia, der Teenager aus dem ersten Film, ist mittlerweile eine erwachsene Frau mit all den üblichen Problemen einer Erwachsenen: ihre eigene Tochter ist ständig angepisst, sie kommt noch immer nicht richtig mit ihrer Stiefmutter klar, ihr Boyfriend will unbedingt heiraten, sie sieht immer noch die Geister toter Menschen und in letzter Zeit taucht auch immer wieder mal der boshafte Geist Beetlejuice auf, der sie ebenfalls immer noch heiraten will, um wieder in die Welt der Lebenden gelangen zu können. Beetlejuice selbst hat aber seit Neuestem noch ganz andere Sorgen …
 
Angeblich gab es im Anschluss an die Premiere dieses Films bei den Filmfestspielen in Venedig drei Minuten stehende Ovationen. Das wirft mehrere Fragen auf: Wer stoppt denn bitteschön regelmäßig, wie lange das Publikum auf Filmfestivals klatscht und was treibt diese Person den Rest des Jahres? Und wofür konnten sich die Vertreter des internationalen Filmgeschäfts drei volle Minuten lang begeistern?
 
Das Drehbuch von Alfred Gough, Miles Millar und Seth Grahame-Smith kann es nicht gewesen sein. Es ist eines der schwächsten, die Regisseur Tim Burton je verfilmt hat. Kaum ein Teil des Drehbuchs ergibt Sinn, kaum etwas passt zusammen, einiges widerspricht dem Ursprungsmaterial. Lydia war vor fünfunddreißig Jahren, als Teenager, bereits eine kritisch denkende Person, die durch die Ereignisse des ersten Teils noch reifer geworden ist. In der Fortsetzung ist sie strohdumm und unsicher und ist unfähig ihrer Teenagertochter eine Mutter zu sein.
 
Und das alles bloß weil das Drehbuch es verlangt. Außer wenn das Drehbuch von ihr verlangt, intelligent und mutig zu agieren. Dann agiert diese Figur intelligent und mutig um dann gleich danach wieder strohdumm und unsicher zu sein. Eine Nebenhandlung rund um ihren Produzenten/Verloben trägt buchstäblich rein gar nichts zur Handlung bei. Das wäre halb so schlimm, wenn diese Nebenhandlung wenigstens lustig wäre. Dummerweise ist sie das leider nicht. Der Film stoppt regelmäßig minutenlang, damit wir einer dämlichen Figur wie aus einer miesen Sitcom dabei zuhören können, wie sie dämliche Dialogzeilen wie aus einer miesen Sitcom von sich geben kann.
 
Gough, Millar und Grahame-Smith sind erfahrene Drehbuchautoren. Gough und Millar haben bereits an sehr guten Fortsetzungen wie „Lethal Weapon 4“ und „Spider-Man 2“ zusammengearbeitet. Grahame-Smith hat auf der Grundlage vorhandenen Materials unter anderem das Drehbuch zu „Dark Shadows“ verfasst. Das war sicher nicht Tim Burtons bester Film, aber das Drehbuch war sicher sehr viel witziger und sinnvoller als das zu „Beetlejuice Beetlejuice“. Dieses Drehbuch ist eine wilde Sammlung alter Ideen, die halbwegs funktionieren, alter Ideen, die nicht mehr recht funktionieren und neuer Ideen, die gar nicht funktionieren. Am Ende wird mit viel Aufwand nur wenig erreicht.
 
Eine der dümmsten Ideen des Drehbuchs, ist die Erklärung für die Abwesenheit von Charles Deetz, dem Vater von Lydia. Dessen Darsteller aus Teil Eins, Jeffrey Jones, ist im realen Leben mittlerweile wegen des Besitzes von Kinderpornographie vorbestraft. Natürlich will so jemanden niemand in seinem Film haben. Die Abwesenheit seiner Figur wird mit einer minutenlangen, komplett unlustigen Animationssequenz erklärt. Später wird diese Figur aufwendig beerdigt. Danach ist diese Figur, zwar ohne Kopf, aber doch, mehrmals im Jenseits zu sehen. Und nicht eine einzige dieser Szenen ist witzig!
 
Die Abwesenheit der beiden Hauptfiguren aus Teil Eins, damals von Geena Davis und Alec Baldwin dargestellt, wird mit einem einzigen kurzen Satz erklärt, der ein Paradebeispiel für „lazy screenwriting“ ist (und ja, mir ist auch klar, warum niemand Alec Baldwin am Set haben wollte). Andererseits nimmt der Film umständliche, unnötige Umwege in Kauf um die Abwesenheit einer Nebenfigur zu erklären, die damals von einem Schauspieler dargestellt wurde, der mittlerweile ein Sexualstraftäter ist. Kleine Notiz am Rande: weil sein Bild im neuen Film mehrmals zu sehen ist, wird der vorbestrafte Jeffrey Jones für diese Fortsetzung trotzdem eine Gage bezahlt bekommen. So lauten nämlich die Regeln der Schauspielergewerkschaft.
 
 
I don’t think that I can take it
 
Dem dummen Drehbuch mit seinen weitgehend unnötigen und leider auch weitgehend unlustigen Nebenhandlungen hat also in Venedig hoffentlich niemand applaudiert. Aber vielleicht galt der Applaus ja der Regie von Tim Burton? Denn man muss sagen, Burton hat das Ganze wieder wie erwartet inszeniert: in seinem gewohnt schrägen Stil aber immer professionell. Und man muss auch festhalten, wenn einige der Gags des Drehbuchs tatsächlich funktionieren, dann hauptsächlich wegen Burtons Regie.
 
Die Figur der großartigen Monica Bellucci wird mit einer Sequenz eingeführt, die ebenso schräg wie witzig ist. Die Idee zu dieser Sequenz ist kein bisschen neu. Aber das interessiert uns nicht, weil Burton sie einfach hervorragend inszeniert. Das Gleiche gilt übrigens für praktisch alle Szenen mit Monica Bellucci. Vielleicht arbeitet Burton immer dann am besten, wenn er verliebt ist?
 
Falls das zutreffen sollte, hegt Tim Burton (ebenso wie der Verfasser dieser Zeilen) wohl eine Schwäche für eines der dümmsten und schrägsten Lieder aller Zeiten. Ich möchte hier den Text von Jimmy Webbs „MacArthur Park“ nicht wiedergeben, weil man zu leicht annehmen könnte, ich hätte mir diesen Blödsinn selbst ausgedacht. Ich bitte alle Leser*innen sowohl den Text als auch eine Aufnahme der Originalversion in der Interpretation von Richard Harris (Ja, der Original-Dumbledore! Ich sagte doch, das Lied ist schräg.) selbst im Internet zu suchen. Ihr werdet nicht enttäuscht werden.
 
Zu den Klängen dieses bescheuerten Lieds kommt der Film nach über anderthalb teilweise etwas mühsamen Stunden endlich zu seinem verdienten Finale. Und hier zeigt Tim Burton noch einmal, was er kann. Ich will nicht sagen, dieses Finale ist die Warterei wert. Denn zu den Gags, die man in dieser Fortsetzung für witzig hält, gehört unter anderem eine Szene, in der jemand wegen des fehlenden Deckels in einen offenen Gully fällt. Und das ist, nach dem Ausrutschen auf einer Bananenschale, der zweitälteste Gag der Filmgeschichte. Tatsächlich lässt dieses Finale den Film erkennen, den wir leider nicht zu sehen bekommen haben.
 
Cause it took so long to bake it
 
Vielleicht hat man in Venedig auch der Besetzung Beifall geklatscht? Denn in einem Film, den die Drehbuchautoren bereits am Schreibtisch versaut haben, schlagen sich die Darsteller*innen wacker. Vor allem der armen Winona Ryder („Geistervilla“, „Stranger Things“) hätte man gewünscht, ihre Figur wäre von den Autoren tatsächlich ausgearbeitet und nicht nur als bloßes Handlungselement eingefügt worden. Ryder macht das Beste aus einer Rolle, die keine ist.
 
Ähnliches gilt für die junge Jenna Ortega („Wednesday“). Sie macht das Beste aus dem uralten Klischee des sich unverstanden fühlenden Teenagers. Ein junger Mann namens Arthur Conti spielt eine Rolle, für die sich die Autoren besser deutlich mehr Zeit genommen hätten, sehr interessant. Der großartige Willem Dafoe („Kinds of Kindness“, „Van Gogh“) verschwendet sein Talent in einer der schwächsten und sinnlosesten Clint-Eastwood-Parodien der Filmgeschichte.
 
Dass Chatherine O’Hara eine egozentrische Mutter spielen kann, hat sie bereits vor sechsunddreißig Jahren bewiesen. Und seither immer wieder in der Fernsehserie „Schitt’s Creek“ und zuletzt in „Argylle“. Dass Danny DeVito in Filmen von Tim Burton witzig sein kann, wissen wir auch nicht erst seit „Dumbo“.
 
Justin Theroux ist einer dieser Darsteller, die man immer und immer wieder in Nebenrollen sieht bis man das Gesicht aber niemals den Namen kennt. Und in seinem Fall fragt man sich, warum? Theroux war in keiner seiner vielen bisherigen Rollen witzig. Aber so wenig witzig wie in „Beetlejuice Beetlejuice“ war er bisher noch nie.
 
Es ist kein Zufall, wenn die Fortsetzung „Beetlejuice Beetlejuice“ heißt. Denn man bekommt sicher doppelt so viel Beetlejuice wie in Teil Eins. Und vielleicht ist das nicht unbedingt etwas Gutes. Der Humor der Titelfigur war bereits vor sechsunddreißig Jahren nicht unbedingt subtil zu nennen. Aber damals, 1988, war das alles frisch und originell. In den letzten Jahrzehnten haben wir ähnliches aber oft genug gesehen. Und so gehören Michael Keatons Szenen nicht zu den Höhepunkten des Films.
 
Ich glaube, ich weiß, was die Damen und Herren in Venedig hauptsächlich beklatscht haben. Nicht Burtons kompetente Regie. Nicht die Musik von Danny Elfman, die wieder so klingt wie in Teil Eins. Und auch nicht Michael Keaton und den Rest der Besetzung. Applaudiert wurde in Venedig der großen Monica Bellucci. Frau Bellucci ist sicher nicht die beste Mimin, die Italien je hervorgebracht hat. Aber in der richtigen Rolle unter der richtigen Regie kann sie eine Wirkung entfalten, wie keine andere Darstellerin auf der Welt. Es scheint, als hätte sie mit Tim Burton wieder mal einen solchen Regisseur gefunden. Nun muss Herr Burton nur noch weiterhin die passenden Projekte für seine neue Partnerin finden.
 
 
Fazit
 
„Beetlejuice Beetlejuice“ krankt vor allem an einem wirklich misslungenem Drehbuch, das nur wenig wirklich Neues bietet und dessen alte Teile oft nicht richtig funktionieren. Burtons Regie und die Besetzung retten den Film nur halbwegs.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Tim Burton
  • Drehbuch: Alfred Gough
  • Besetzung: Michael Keaton, Winona Ryder