Bestellt? Tristan Séguélas Film über einen hartnäckig freundlichen ...
... Essenslieferanten, der die Arbeit eines ebenso hartnäckig miesepetrigen Arztes übernimmt. Geliefert? Lauwarme Dramedy ohne Ecken und Kanten.
Zwischen Patienten und Pad Thai
Menschenleere Straßen, unterwegs sind nur die Systemrelevanten: Ärzte, Polizisten - und natürlich Essenslieferanten. Nein, es ist nicht 2020 und auch nicht Lockdown - auch wenn es augenscheinliche Parallelen gibt - sondern Paris an Weihnachten in Tristan Séguélas („16 ans ou presque“, „Rattrapage“) „Ein Doktor auf Bestellung“ (OT „Docteur?“), ganz ohne Pandemie.
Während Familien drinnen zwischen Geschenken und Weihnachtsmahl sitzen, fährt der in die Jahre gekommene Arzt Serge (Michel Blanc) durch die Pariser Straßen. Er hat den wohl begehrtesten Dienst des ganzen Jahres bekommen: Notfallbereitschaft. An Weihnachten. Missmutig, von Rückenschmerzen geplagt und mit Whiskeyflasche im Handschuhfach folgt er den Anweisungen aus dem Handy, die ihn vom fiebernden Baby zur älteren Dame mit Atemnot schicken. Anstelle eines frohen Grußes verabschiedet Serge sich von seinen Patienten vorzugsweise mit „Wie wollen Sie bezahlen?“.
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https://cinepreview.de/index.php/item/660-ein-doktor-auf-bestellung-heimkino-start-23-07-2021#sigProId74063f7fe0
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Ebenfalls auf den Straßen unterwegs ist der Essensbote Malek (Hakim Jemili). Eine seiner Bestellungen überschneidet sich mit einem Einsatz von Serge, eine Reihe von Zufällen führt dazu, dass der fahrradfahrende Essenskurier dem Arzt ein Schmerzmittel falsch spritzt, welches diesen für die restliche Nacht bewegungsunfähig macht. Um seinen Job nicht zu verlieren, lotst Serge von da an den Boten Malek an seiner Stelle durch Patientenbesuche - mittels AirPods und Maleks Überzeugung, etwas Gutes für die Menschheit zu tun.
Es fehlt die Würze
Die Prämisse ist nett, die recht einfach gestrickte Haupthandlung wird von einer erfreulich unerwarteten Nebenhandlung umwoben und auch wenn der Film an manchen Stellen plakativ ist - wenn beispielsweise Malek in Serges orthopädischen Schuhen dessen Job erledigt – kommt er doch mit erstaunlich wenigen Klischees aus. Die Dialoge sind trotz der immer gleichen Settings kurzweilig, die Chemie zwischen dem französischem Schauspielveteran Blanc und dem Comedian Hakim Jemili stimmt. Regisseur Tristan Séguélas hat in seinem dritten Langfilm verstanden, Absurdität über Bilder statt über alles vorwegnehmende Dialoge zu erzeugen und inszeniert die Patientenbesuche stimmig durch leicht verzerrende Weitwinkelobjektive.
Wer möchte, kann zwischen den Zeilen Kritik an der Dienstleistungsgesellschaft finden sowie Kritik daran, wie unterschiedlich wir Menschen begegnen, denen wir unsere Tür öffnen. Wer kann sich noch an den Essensboten erinnern, wenn das Essen auf dem Tisch steht? Wer denkt zweimal über die Menschen nach, die Weihnachten arbeitend ohne Familie verbringen? Mit Betonung auf „Wer möchte“, denn der Film deutet diese Themen nur sehr subtil an.
Für eine Komödie fehlen die wirklich witzigen Momente, für ein Drama die tiefgründigen Ideen oder die genaue Betrachtung zwischenmenschlicher Beziehungen. Für einen Weihnachtsfilm ist der Film zu traurig, für einen Zwischendurch-Film an einem heißen Sommertag zu wenig unterhaltsam.
So wie Menschen ohne wirkliche Interessen auf die Frage nach Hobbys mit „Freunde treffen, Musik hören, das Übliche“ antworten, ist „Ein Doktor auf Bestellung“ das filmische Pendant dieser Antwort – niemand wird vor den Kopf gestoßen, jeder findet etwas Nettes dran, dabei ist es aber auch nicht sonderlich kreativ und regt kaum zu Nachfragen an. Der Film ist ab 30. Juli 2021 auf DVD, Blu-Ray und OnDemand verfügbar.
Fazit
Der Film eignet sich für schlaflose Nächte, wenn man an das Gute im Menschen erinnert werden will ohne Moral und Lektionen grell und bunt ins Gesicht geklatscht zu bekommen. Vermutlich kann man sich am nächsten Morgen an wenig erinnern – das muss aber nicht unbedingt schlecht sein.
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