The Lost City: Das Geheimnis der verlorenen Stadt - Kinostart: 21.04.2022

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Nur weil ein Film formelhaft ist, muss er nicht schlecht sein. Formeln haben ...
 
... den großen Vorteil, dass sie funktionieren können. Aber bloß, wenn alle Variablen korrekt sind …
 
We’re leavin‘ together
 
Die Bestsellerautorin Loretta Sage steckt in der Krise. Sie trauert um ihren verstorbenen Ehemann. Sie will keinen weiteren ihrer beliebten Liebes-Abenteuer-Romane mehr schreiben. Und sie ist genervt von Alan, dem männlichen Modell das auf dem Cover jedes ihrer Bücher abgedruckt ist. Doch dann wird Loretta von den Schergen eines exzentrischen Millionärs entführt. Der erhofft sich von ihr den entscheidenden Hinweis auf einen auf einer entlegenen Insel versteckten Schatz. Das Model Alan ist fest entschlossen Loretta zu retten …
 
Es ist faszinierend, wie viele hochwertig und aufwendig produzierte Filme nicht richtig funktionieren. Die Macher hatten alle Einzelteile zur Verfügung, wussten wie sie diese zusammenzusetzen hatten und am Ende ist das Ergebnis dann doch nicht mehr als die Summe seiner Einzelteile. Oft sogar weniger. Erst kürzlich hatten die Macher von „The Batman“ das Budget und die Darsteller, haben einige richtige Entscheidungen getroffen und am Ende doch keinen wirklich gelungen Film geschaffen. „The King’s Man“ hatte eine fantastische Besetzung, einige großartige Ansätze und ist trotzdem gescheitert. „The Matrix: Resurrections“ hatte alle Zutaten, die auch der erste Teil hatte und am Ende hat das Rezept doch nicht funktioniert.
 
Wieso vergleichen wir hier „The Lost City“ mit Filmserien oder Remakes? „The Lost City“ ist weder Fortsetzung noch Remake. Oren Uziel („Escape Room 2“, „22 Jump Street“) und Dana Fox („All inclusive“) haben zusammen mit den Regisseuren und Co-Autoren Adam und Aaron Nee ein Originaldrehbuch geschrieben, oder? Tut mir leid, aber das haben sie nicht. Die drei Autoren haben sich schamlos bei Robert Zemeckis‘ Frühwerk „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ und der Fortsetzung „Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil“ bedient. Es ist eine Frechheit die Autoren dieser beiden Filme nicht wenigstens im Abspann genannt zu haben. Im Film sehen wir die Heldin auf einer Veranstaltung namens „Romancing the Page“. Das ist wenigstens eine kleine Verbeugung vor „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ (Originaltitel: „Romancing the Stone“).
 
„The Lost City“ ist nicht nur praktisch eine Neuverfilmung dieser beiden Filme aus den Achtzigerjahren, die ja auch wiederum ganz klar von Vorbildern beeinflusst waren. Der ganze Film ist so formelhaft, dass man nicht mehr als eine Handvoll Filme in seinem Leben gesehen haben muss, um zu wissen, was als nächstes kommt, was danach kommt und wie das Ganze ausgeht. Aber wie bereits erwähnt, Formeln können funktionieren. Es kommt u.a. darauf an, die verschiedenen Variablen richtig zu kombinieren, damit die Gleichung aufgeht.
 
 
Manche Variablen von „The Lost City“ passen zusammen. Eine romantische Actionkomödie sollte zunächst mal romantisch sein. Das ist der Teil des Films der tatsächlich am besten funktioniert. Die Autorin romantischer Romane hat einen guten Grund, kein Interesse mehr an Romantik zu haben. Aber was noch wichtiger ist, sie bekommt gute Gründe, dieses Interesse wieder zu entwickeln. In vielen Filmen verlieben sich die weibliche und die männliche Hauptfigur nur ineinander weil sie eben die weibliche und die männliche Hauptfigur eines Films sind. Egal wie wenig die beiden Figuren gemeinsam haben, am Ende kommen sie zusammen, weil sie nun mal von den beiden Berühmtheiten auf dem Plakat dargestellt werden. In „The Lost City“ ist das anders.
 
Das männliche Model Alan ist vielleicht nicht die hellste Kerze im Kronleuchter. Aber der Mann zeigt von Anfang an sein gutes Herz. Er sorgt sich aufrichtig um die weibliche Hauptfigur. Und er zeigt auch diese Sorge. Alan weiß, dass Loretta ohne Snacks grantig wird. Er bringt ihr zur Rettung ein paar vernünftige Schuhe mit. Und er denkt während des ganzen Films zuallererst an sie. Wir sehen hier nicht das ewiggleiche Klischee, vom immer unfreundlich und abweisend wirkenden Helden, dessen herbem Charme sich die Frau gerade deshalb nicht entziehen kann. Nein, hier zeigt der Held von Anfang an was er für die Heldin empfindet.
 
 
And maybe we'll come back
 
Nicht zuletzt wegen der charmanten Chemie zwischen Sandra Bullock und Channing Tatum funktioniert die erste Variable dieser romantischen Actionkomödie also wirklich gut. Wie steht es um die Action? Leider nicht ganz so gut. Die Gebrüder Nee haben bisher vor allem fürs Fernsehen gearbeitet. Ihr bislang einziger Kinofilm, „Band of Robbers“ hatte ein fünfstelliges Budget. Und wie man ihrem vorletzten Film das geringe Budget ansieht, sieht man „The Lost City“ die geringe Erfahrung der Regisseure an.
 
Die Actionszenen sind nicht die stärkste Seite des Films. Ja, die Helden laufen durch den Dschungel. Und ja, sie werden von Schergen auf Quads und Motorrädern verfolgt. Aber so richtig spannend wirkt das nie. Und bedrohlich erst recht nicht. Ein Kampf in und auf einem gepanzerten Fahrzeug hält keinem Vergleich mit unzähligen ähnlichen Szenen in Filmen wie z.B. „Jäger des verloreneren Schatzes“ stand. Eine Rettungsaktion im ersten Drittel des Films ist halbwegs witzig inszeniert, wird aber auch nie richtig spannend. Eine Szene mit Sandra Bullock in einem engen Felstunnel ist vorbei, ehe Spannung aufkommen kann. Immer wieder geht die Gleichung nicht richtig auf.
 
Aber eine romantische Actionkomödie soll ja vor allem witzig sein. Wie sieht es mit diesem Bestandteil der Formel aus? Leider auch nicht gut. „The Lost City“ hat zwei Hauptdarsteller, die von sich aus witzig sind. Und der Film hat Brad Pitt, dessen Einsatz in einer Nebenrolle für sich genommen witzig ist. Aber bereits dieser Witz mit Brad Pitt als coolem Helden nutzt sich schnell ab. Obwohl Pitt bald wieder aus dem Film verschwindet, wäre sein Auftritt sicher noch witziger gewesen, wenn man diesen Star noch sparsamer eingesetzt hätte.
 
Aber den Machern von „The Lost City“ fehlt es an Gespür für die richtige Dosierung und das richtige Timing. Deshalb wirken die meisten Gags des Films auch so erzwungen. Warum muss die Heldin einen paillettenbesetzten Catsuit tragen? Niemand hat je Johanna Lindsey oder Catherine Coulter in glänzende Einteiler gezwungen oder gezwängt. Wenn Loretta von ihrer Managerin ein solches Kleindungstück aufgedrängt wird, ist das bloß ein umständliches, unglaubwürdiges Setup für eine Pointe, die den Aufwand nicht lohnt.
 
Warum muss das Model eine Perücke tragen? Damit sie ihm „unabsichtlich“ vom Kopf gerissen werden kann. Warum benutzt ein erfahrener Söldner für eine Rettungsaktion im Dschungel den kleinsten aller kleinen indischen Kleinwagen? Damit wir Brad Pitt und Channing Tatum in einem winzigen Auto sehen.
 
Warum kann man die Gerettete nicht gleich von ihren Fesseln befreien? Damit wir Sandra Bullock an einen Stuhl gefesselt in einer Schubkarre sehen. Warum hat der Retter eine Hängematte zur Rettung mitgebracht? Damit wir Bullock und Tatum zusammen in einer Hängematte liegen sehen. Fast jeder Gag dieses Films ist entweder forciert oder so naheliegend, dass es lächerlich ist. Wenn die beiden Hauptfiguren auf der Flucht vor den Häschern einen Fluss durchqueren müssen, sieht man den Witz übers ins Wasser pinkeln von weitem kommen. Und die Blutegel an einem Gesäß können auch niemand überraschen. Je weniger Worte wir über die Odyssee einer klischeehaften witzigen Nebenfigur verlieren, umso besser. Und die mid-credit-scene dieses Films ist ebenso unlogisch wie unlustig und damit völlig unnötig.
 
I guess there is no one to blame
 
Dass der ganze Film trotzdem irgendwie halbwegs funktioniert, liegt vor allem an der Besetzung. In einer von Sandra Bullocks ersten Hauptrollen in „Während Du schliefst“ hat sie es bereits geschafft, als notorische Lügnerin und Soziopatin absolut liebenswert und bezaubernd zu wirken. Ihren Oscar hat sie für die Darstellung einer nicht besonders sympathischen Figur in einem klischeehaften Drama erhalten. Und auch hier schafft es Sandra Bullock wieder mit schwachem Material zu glänzen.
 
Wie bei vielen ihrer Filme der letzten zwanzig Jahre, ist Bullock auch hier wieder nicht nur Hauptdarstellerin sondern auch Produzentin. Sie kann sich ihre Filme also nicht bloß aussuchen, sondern hat auch Einfluss auf die Gestaltung. Hoffentlich entwickelt sie in Zukunft endlich ein besseres Händchen bei der Auswahl ihrer Projekte und ein besseres Auge für Autoren und Regisseure. Und man kann nur hoffen, dass sie noch keine Stammkundenkarte von ihren plastischen Chirurgen hat. In mehr als einer Szene des Films erinnert ihr Gesicht unangenehm an das von Courteney Cox.
 
Channing Tatum ist einer der wenigen „leading men“ Hollywoods, der immer wieder auch Sinn für Ironie gezeigt und in Filmen wie „Magic Mike“ und „21 Jump Street“ mit seinem Image gespielt hat. Man kann sich nicht viele andere Darsteller seines Kalibers in dieser Rolle vorstellen. Er wirkt gleichzeitig witziger als die Gags die ihm geschrieben wurden und authentischer als das Drehbuch es erlaubt.
 
Brad Pitt sehen wir nach „Deadpool 2“ wieder in einer witzigen Nebenrolle, die nur witzig ist, weil Brad Pitt eben Brad Pitt ist, nicht etwa weil Brad Pitt besonders witzig wäre. Die noch recht unbekannte Darstellerin Da’Vine Joy Randolph ist in einer witzig gemeinten Nebenrolle zu sehen. Es ist nicht ihre Schuld, wenn diese Rolle so ein furchtbares Klischee ist, das sie fast wie eine rassistische Karikatur wirkt.
 
Daniel Radcliffe wurde mit einer Filmserie über eine schwer zu erreichende Internatsschule berühmt. Seit „der dessen Nase nicht gesehen werden darf“ verstorben ist, hat man Radcliffe in so unterschiedlichen Filmen wie „Kill Your Darlings“ oder „Swiss Army Man“ gesehen. Aber schon sein Auftritt mit gerade einmal siebzehn Jahren in der Serie „Extras“ hat erkennen lassen, was für ein herrlicher Komödiant er sein kann. In „The Lost City“ ist Radcliffe witzig. Aber man erkennt in jeder Szene, wie viel witziger er mit besserem Material hätte sein können.
 
 
Fazit
 
Formeln funktionieren nur, wenn die Variablen stimmen. An „The Lost City“ stimmt leider einiges nicht. Die großartigen Darsteller retten den Film fast, aber leider nicht ganz.
 
 
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Aaron Nee
  • Drehbuch: Seth Gordon
  • Besetzung: Sandra Bullock, Channing Tatum