Ambulance - Kinostart: 24.03.2022

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In der folgenden Rezension werden deutlich mehr Kraftausdrücke ...
 
... zu lesen sein als sonst bei uns üblich. Wer sich daran stößt, darf sich bei den Machern von „Ambulance“ bedanken.
 
Sailing, takes me away …
 
Will Sharp ist Veteran. Trotzdem will die Scheiß-Krankenversicherung nicht für die verkackte Operation seiner Frau bezahlen. Sein krimineller Bruder Danny überredet Will zu einem Banküberfall, der 32 verfickte Millionen Dollar einbringen soll. Doch dann passiert, womit kein Schwanz rechnen konnte und der beschisse Überfall geht schief. Will und Danny kapern einen Drecks-Krankenwagen und nehmen die Rettungssanitäterin Cam und ein schwerverletztes Polizisten-Arschloch als Geisel. Zusammen fliehen sie kreuz und quer durch fucking Los Angeles …
 
Michael Bays neuer Film ist ein Remake eines originellen dänischen Films von 2005. Das Original hatte eine Laufzeit von gerade mal 76 Minuten. Die neue Version dauert 136 Minuten und damit eine volle Stunde länger. Michael Bay hat diese zusätzliche Sunde und auch die anderen 76 Minuten seines Films bis zum Platzen mit folgendem gefüllt: Bullshit, sinnlosem Geballer, Bullshit, endlosen Autoverfolgungsjagden, Bullshit, überflüssigen Explosionen, Bullshit, jeder Menge Kraftausdrücke, Bullshit, saudumme Dialoge und Bullshit. Am Ende hat er noch eine ordentliche Ladung Bullshit hinzugefügt, die er dann großzügig mit Bullshit garniert hat.
 
Der verstorbene Roger Ebert prägte den Begriff des „idiot plot“. Das ist eine Filmhandlung, die nur deshalb funktionieren kann, weil sämtliche Protagonisten Idioten sind. Chris Fedak hat bisher bloß einige Drehbücher für mittelmäßige Fernsehserien geschrieben. Aber sein Drehbuch zu „Ambulance“ wird von Filmhistorikern der Zukunft vielleicht einmal als erstes und ganz besonders drastisches Beispiel für einen „stupid asshole plot“ studiert werden.
 
Jede der Figuren dieses Films ist ein dummes Arschloch. Jede einzelne. Das muss so sein, denn sonst würde das, was man hier anstelle einer Handlung hat, keine Sekunde funktionieren. Der aufrechte Ex-Marine Will ist ein dummes Arschloch. Er braucht dringend eine große Geldsumme und bittet seinen Bruder um Hilfe, der sein ganzes Leben Bankräuber der zweiten Generation war. Na, wie wird Brüderchens Vorschlag wohl aussehen?
 
Profibankräuber Danny ist ein dummes Arschloch, weil er seinen saudummen Plan mit einer Bande furchtbar dummer Arschlöcher umsetzt. Dass Danny sich erst nach dem Überfall maskiert, ist nicht einmal sein dümmster Fehler. Der Überfall hätte ohnehin niemals funktioniert. Aber so richtig schief läuft er unter anderem, weil die Bank von Beamten einer Spezialeinheit der Polizei überwacht wird. Diese dummen Arschlöcher schöpfen erst Verdacht, nachdem der Überfall bereits vorbei ist und die ersten Schüsse fallen. Ihre Taktik zur Verbrechensbekämpfung besteht darin, mehr und sinnloser in der Gegend herumzuballern als die Bankräuber.
 
 
Die anderen paarhundert Polizeibeamten die an der anschließenden Verfolgungsjagd beteiligt sind, sind ebenfalls alle dumme Arschlöcher, weil sie ständig grundlos ihre Fahrzeuge zu Schrott fahren und dabei den Rettungswagen doch nicht zum Stillstand bringen. An einer Stelle im Film fährt das FBI plötzlich Volvos und die Polizei hat unter anderem einen Nissan im Einsatz. Das ist kein Wunder, denn während des Films wird die gemeinsame Jahresproduktion von Dodge und Ford vernichtet.
 
Neben Will, der die Bank ja nur wegen der Scheiß-Krankenversicherung überfallen hat (dafür kann man ihm ja nun wirklich keinen Vorwurf machen), ist die Rettungssanitäterin Cam die zweite Heldin des Films. Nachdem sie uns in überflüssigen Dialogstellen umständlich als härteste und beste Rettungssanitäterin der Stadt vorgestellt wurde, braucht sie mehr als eine Dreiviertelstunde um festzustellen, ihr Patient hat nicht bloß eine sondern zwei Schusswunden. Während dieser Zeit hat sie den Patienten unter anderem defibrilliert und sogar Spenderblut verabreicht und nicht gemerkt, wie das Blut aus der zweiten Wunde buchstäblich ständig auf den Boden getropft ist.
 
Nichts von diesem ganzen Bullshit kommt in der dänischen Vorlage vor. Das gilt auch für das Ende des Films. Dieses ist nicht einfach unverdient und unbefriedigend. Es könnte nur dann vielleicht funktionieren, wenn sämtliche Beamten sämtlicher Verbrechungsbekämpfungs- und Strafverfolgungsbehörden in Südkalifornien, sowohl auf städtischer, staatlicher als auch auf Bundesebene, vom LAPD über das FBI bis zur Staatsanwaltschaft ausnahmslos dumme Arschlöcher wären. Nein, tatsächlich könnte das Ende des Films nicht einmal dann funktionieren.
 
Dieses Drehbuch ist nicht bloß schlecht geschrieben. Autor Chris Fedak hat es sich einfach aus dem Arsch gezogen. Und er hat es nicht einmal sauber gemacht. Dauernd hören wir Obszönitäten und nie klingen sie witzig. Wenn ein Afroamerikaner einen anderen als „N…er“ bezeichnet, fühlt man sich unwohl. Alles wirkt aufgesetzt. Nichts fühlt sich cool oder locker an. Der Bankräuber in Birkenstocks, die schwule Paarberatung, … selbst die Zitate aus alten, besseren Filmen von Michael Bay wirken einfach nur verkrampft.
 
 
California Dreamin‘
 
Ich habe die fiktiven Protagonisten dieses Films als dumme Arschlöcher bezeichnet. Bei echten Menschen bin ich vorsichtiger. Ich würde Chef-Kameramann Roberto De Angelis („Baby Driver“, „6 Underground“) und sein Team nie beleidigen wollen. Vielleicht leiden sie allesamt an fortgeschrittener Epilepsie und können ihre Kameras nicht mehr richtig auf Stativen befestigen. Das würde die ständig verwackelte Handkamera erklären, die beim Betrachter nach einer Weile Kopfschmerzen und Aggressionen auslöst. Für einige der dümmsten und sinnlosesten Drohnenflüge der Filmgeschichte fällt mir aber keine Erklärung ein.
 
Doug Brandt, Pietro Scalia („Solo: A Star Wars Story“) und Calvin Wimmer („6 Underground“) zeichnen gemeinsam für den Schnitt verantwortlich. Ich gehe mal davon aus, die drei Herren leiden alle an ADHS. Sie lassen sich von ihrem Defizit genauso wenig von der Arbeit abhalten, wie die Mitarbeiter des Sound Department von ihrer fortgeschrittenen Schwerhörigkeit. Man muss Michael Bay Respekt zollen, all diesen Menschen trotz ihrer offensichtlichen Einschränkungen Arbeit gegeben zu haben.
 
Bay hat vor mehr als dreißig Jahren zunächst Musikvideos (u.a. Meat Loaf’s „I’d do anything for love“) gedreht bevor er mit „The Rock“ einen der besten Actionfilme seiner Zeit gemacht hat. „The Rock“ hatte auch eine komplett schwachsinnige Handlung, aber originelle Figuren, witzige Dialoge (überarbeitet von einem jungen Drehbuchautor namens Quentin Tarantino) und war überaus hochwertig inszeniert. Seitdem hat Bay u.a. „Armageddon“, „Pearl Harbor“ und „Die Insel“ gedreht und dabei seine Ansprüche weiter und weiter zurückgeschraubt, damit er dann gefühlt siebenundzwanzig Teile der „Transformers“-Reihe drehen konnte.
 
Ein Übermaß an haushohen, außerirdischen Robotern, die ständig aufeinander eindreschen, würde vermutlich den größten Künstler desensibilisieren. Zu sagen, Michael Bay ist wohl mittlerweile abgestumpft, wäre untertrieben. Dem Mann ist offensichtlich längst alles egal. „Ambulance“ strotzt vor eklatanten Fehlern, die jedem B-Movie peinlich sein sollten.
 
Die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs wird durchschlagen. Danach folgen ein Dutzend Einstellungen mit intakter Windschutzscheibe. Wen juckt’s? Michael Bay sicher nicht. Wir sehen im Hintergrund die Sonne untergehen. In jeder darauffolgenden Szene während der nächsten Sunde steht die Sonne dann hoch am Himmel. Scheiß drauf. Eine Figur steht im Heck des Krankenwagens. Ein Schnitt und die Figur sitzt wieder vorne. Solche Kleinigkeiten interessieren Michael Bay offensichtlich kein bisschen. Was ihn interessiert ist vielleicht Pyrotechnik.
 
Auf die Frage seiner Pyrotechniker, wie viele Explosionen und Schüsse im Film zu sehen sein sollen, lautete Bays Antwort vermutlich: „Alle“. Sollten in den nächsten Wochen und Monaten amerikanische Actionfilme ins Kino kommen, in denen die Darsteller mit den Fingern aufeinander zielen und „Peng! Peng!“ rufen, würde mich das nicht wundern. Nach den Dreharbeiten zu „Ambulance“ war vermutlich weder für Geld noch gute Worte auch nur eine einzige Platzpatrone in Hollywood aufzutreiben.
 
Aber selbst die ganze Schießerei und die Verfolgungsjagden scheinen Bay nicht wirklich interessiert zu haben. Ohne Sinn für Raum und Zeit schießt und fährt alles kreuz und quer und hin und her. Hauptsache Zerstörung und Aggression. Wer schießt hier gerade auf wen? Fick Dich! Was soll das mit der Mini-Gun? Geht Dich einen Scheißdreck an! Warum überschlagen sich dauernd so viele Autos? Leck mich! Warum knallt das Fahrzeug gegen ein Hindernis? Deine Mudda ist ein Hindernis! Und warum fluchen die Leute in dem Film so viel? Halt’s Maul!
 
Mit so einem Drehbuch und dieser Art von Regie gibt es für Darsteller nichts zu gewinnen. Yahya Abdul-Mateen II wirkte in „Greatest Showman“ sympathisch und hat in „Aquaman“ das Beste aus einer generischen Schurkenrolle gemacht. Seine Figur hier ist ein dummes Arschloch und Abdul-Mateen II damit viel zu intelligent und zu sympathisch für den Job.
 
Eiza González ist eine dieser wunderschönen Frauen, denen offensichtlich nie jemand widersprechen mag, wenn sie meinen, Schauspielerinnen zu sein. Sie war wunderschön in „Baby Driver“, war dann wunderschön in „Bloodshot“, bevor sie in „Godzilla vs. Kong“ wunderschön war. In diesem Film ist sie nun so wunderschön, dass ihr Gesicht von Szene zu Szene auf magische Weise immer wieder sauber wird, weil man sonst vielleicht nicht sieht wie wunderschön sie ist.
 
Jake Gyllenhaal ist einer der vielseitigsten Darsteller unserer Zeit und wirkt immer wieder in den unterschiedlichsten Filmen mit. Er war bezaubernd in „Broke Back Mountain“ und satanisch im unterschätzten „Nightcrawler“. Warum er in „Ambulance“ mitspielt ist unklar. Ich will nicht sagen, seine Mitwirkung war ein Fehler. Aber Nicolas Cage hat vor langer Zeit einen Oscar für „Leaving Las Vegas“ bekommen und direkt danach einen Film mit Michael Bay gemacht. Und wo ist Nicolas Cage jetzt? Na also.
 
 
Fazit
 
Wenn einem während eines Feuerwerks schon mal ein Betrunkener unentwegt Obszönitäten ins Ohr geschrien und man daran Gefallen gefunden hat, kann ich Michael Bays neuen Film wärmstens empfehlen. Sonst nicht. Wirklich nicht.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Michael Bay
  • Drehbuch: Chris Fedak
  • Besetzung: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II