Run: Du kannst ihr nicht entkommen - Heimkino-Start: 15.01.2021

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Wenn die eigene Mutter zum Monster wird: Der kompakte Thriller
 
... „Run – Du kannst ihr nicht entkommen“ erzählt von einer an den Rollstuhl gefesselten Teenagerin, die plötzlich schreckliche Vermutungen gegen ihre Beschützerin hegt und daher nur noch ein Ziel vor Augen hat: Raus hier, so schnell wie möglich!
 
Fürsorgliche Fassade
 
Filmemacher Aneesh Chaganty scheinen kammerspielartige Szenarien zu faszinieren. Nach seinem insbesondere formal reizvollen Debütthriller „Searching“, der sich ausschließlich auf Computer- und Handybildschirmen entspinnt, hält er den inhaltlichen Rahmen seiner zweiten abendfüllenden Regiearbeit „Run – Du kannst ihr nicht entkommen“ auffallend klein. Die meiste Zeit ist der Film ein Zwei-Personen-Stück und spielt sich in den vier Wänden eines einsam gelegenen Hauses ab. Aus dieser Konstellation zieht das von Chaganty und Sev Ohanian verfasste Drehbuch ein beachtliches Maß an Spannung. Spannung, die es einem leichter macht, über die simple Konstruktion der Geschichte und kleine Unebenheiten hinwegzusehen.
 
Seit ihrer Geburt wird die mit zahlreichen Krankheiten kämpfende Chloe Sherman (Kiera Allen) von ihrer Mutter Diane (Sarah Paulson) umsorgt, in deren Händen auch die schulische Ausbildung liegt. Die inzwischen 17-jährige Rollstuhlfahrerin verlässt fast nie das Haus, hat kein eigenes Handy und darf das Internet nur dann nutzen, wenn Diane ein wachsames Auge darauf hat.
 
Das Mutter-Tochter-Gespann kommt gut miteinander aus. In Kürze möchte Chloe aber dennoch zu neuen Ufern aufbrechen und ein Studium beginnen. Jeden Tag, wenn der Postbote Tom (Pat Healy) vorbeischaut, hofft sie auf eine Zusage. Diane fängt die Sendungen allerdings stets vor ihr ab und behauptet, dass bislang kein positiver Bescheid dabei gewesen sei. Als Chloe eines Tages Tabletten nehmen soll, von denen sie weiß, dass sie auf Dianes Namen ausgestellt wurden, regen sich plötzlich erste Zweifel an den vermeintlich guten Absichten ihrer Mutter.
 
Schnörkellos und packend
 
Auch wenn das Zusammenleben im Hause Sherman bis zum ersten Irritationsmoment recht harmonisch ist, schleicht sich schon früh ein ungutes Gefühl ein. Irgendwie haftet der Beziehung etwas Beklemmendes an. Dass der Kontakt einer Jugendlichen zur Außenwelt offenbar gezielt auf ein Minimum reduziert wird und sie keine andere Vertrauensperson als ihre Mutter hat, ist sicherlich nicht sehr gesund.
 
 
Nach der straffen, pointierten Einführung in den Alltag der beiden Protagonistinnen baut der Film schnell eine bedrohliche Atmosphäre auf und zieht den Zuschauer geschickt auf die Seite der mobil eingeschränkten Chloe. Zum Schaudern ist etwa der Augenblick, in dem die im Dunkeln sitzende Diane ihrer Tochter stumm dabei zusieht, wie sie nachts heimlich im Netz recherchieren will. Auch schwitzt und leidet man mit der 17-Jährigen mit, wenn sie über das Telefon verzweifelt Informationen zu den ominösen Tabletten zu bekommen versucht, während ihre Mutter im Garten arbeitet.
 
Dianes Liebe wirkt von Anfang an toxisch. Und sobald sie erkennt, dass Chloe Nachforschungen anstellt, zeigt sich, dass sie keineswegs bereit ist, ihr Mädchen einfach gehen zu lassen. Sarah Paulson, die ihrem Spiel schon in den ersten Minuten obsessive Züge verleiht, kehrt die skrupellose, gefährliche Seite ihrer Figur mehr und mehr nach außen und weckt Erinnerungen an die wahnsinnige Annie Wilkes aus der Stephen-King-Adaption „Misery“, in der ein Bestsellerautor nach einem Unfall in die Fänge seines größten Fans gerät.
 
Vor dem von Rob Reiner inszenierten Thriller aus dem Jahr 1990 verneigt sich Chaganty sogar explizit, indem er eine Apothekerin mit dem Namen Kathy Bates – so heißt die Wilkes-Darstellerin – auftauchen lässt. Kiera Allen, die auch im wahren Leben einen Rollstuhl benutzt, verkörpert die technisch versierte Chloe mit ausreichend Entschlossenheit, um nicht hinter Paulsons Muttermonster zu verblassen.
 
Jenseits des Nervenkitzels verfolgt „Run – Du kannst ihr nicht entkommen“ keine besonderen Ansprüche. Ab und an werden Genreklischees bemüht. Und Dianes Geheimnis taugt nicht zum Staunen. In seiner den Puls fast ständig oben haltenden Schnörkellosigkeit ist der Film aber ungemein effektiv. Wer einfach nur ein bisschen Zittern und Mitfiebern will, wird hier sicher nicht enttäuscht.
 
TRAILER
 
Fazit
 
Ein Kammerspielthriller ohne raffinierte Schlenker, der das, was er erreichen will, nämlich Spannung erzeugen, überwiegend sauber hinbekommt.
 
 
>> Sarah Paulson: Die brilliante Darstellerin aus RUN: DU KANNST IHR NICHT ENTKOMMEN im Porträt
 
 

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Weitere Informationen

  • Autor:in: Christopher Diekhaus
  • Regie: Aneesh Chaganty
  • Drehbuch: Sev Ohanian
  • Besetzung: Sarah Paulson, Kiera Allen