Weathering with You - Kinostart: 16.01.2020

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Der Originaltitel dieses neuen Animations-Films lautet „天気の子“ ...
 
... bzw. „Tenki no Ko“ (übersetzt: Kind des Wetters). Wenn man es also am Plakat noch nicht erkannt haben sollte, verrät es einem der Titel: dieser Film stammt aus Japan.
 
Netzgerücht: Das hundertprozentige Sonnenmädchen
 
Das Wetter in Tokio ist furchtbar. Den ganzen Frühling und Sommer bereits regnet es ohne Unterlass. Das passt ganz gut zur Stimmung des 16-jährigen Hodaka. Ohne Geld und ohne Freunde treibt sich der junge Ausreißer auf der Straße herum. Er trifft die junge Hina und gerät in einige Schwierigkeiten bis er für wenig mehr als Kost und Logis für den Betreiber eines online-Magazins arbeiten darf. Das Magazin berichtet über okkulte und übersinnliche Themen, wie auch die Regenmädchen, junge Frauen, die das Wetter kontrollieren können.
 
Da trifft Hodaka die junge Hina wieder und verliebt sich … Wäre „Weathering with you“ von Pixar gemacht worden, hätte der Film vermutlich einen herrlich realistisch visuellen Stil und eine unterschwellige Umweltschutzbotschaft. Wäre der Film von Disney gemacht worden, hätte der Film einen ganz bezaubernden visuellen Stil und das Mädchen würde jedes Mal wenn sie die Wolken vertreibt eine große Musicalnummer singen. Wäre der Film in Deutschland gemacht worden, hätte er einen billigen visuellen Stil, die Umweltschutzbotschaft würde uns mit allem Nachdruck reingewürgt und die Lieder wären furchtbar anzuhören.
 
Aber dieser Film ist ein in Japan entstandener Anime-Spielfilm. Obwohl dort erst vor wenigen Jahren ein Kernkraftwerk ein ganz kleines Bisserl Strahlung abgegeben hat, ist Umweltschutz für Japaner kein Thema. Befassen wir uns also mit der Handlung, den Figuren, der Musik und mit dem visuellen Stil dieses Films. Die Handlung ist – typisch für Anime - eine schräge Mischung aus knallhartem Realismus und Märchen. Es geht um Prostitution Minderjähriger und Fuchsgottheiten, um illegalen Waffenbesitz und Fische in den Wolken. Ein Teenager wird von Polizeibeamten fast erschossen weil er die Liebe seines Lebens aus einer anderen Welt retten will.
 
Diese schräge Mischung funktioniert ganz wunderbar. Die realistischen Elemente der Handlung lassen uns diese Figuren als echte Menschen wahrnehmen. So können wir mit ihnen mitfühlen, selbst wenn sie Angst haben sich aufzulösen. Die Figuren selbst sind Teil dieser Handlung. Was sie tun, tun sie nicht bloß damit die Handlung weitergeht. Ihre Handlungen ergeben immer Sinn, sind immer stimmig. Hodaka steckt eine gefundene Schusswaffe ein, weil ein Teenager genau das tun würde. Ein Mädchen lügt über ihr Alter, weil es Sinn ergibt. Selbst die Motivationen der Nebenfiguren wirken immer stimmig. Und so nehmen wir schnell Anteil an ihrem Schicksal in dieser und der anderen Welt.
 
 
Das Wetter ist ein Rätsel
 
Natürlich wirkt vieles was für Anime typisch ist, auf westliche Filmfans ungewohnt. Die teilweise übertriebenen Reaktionen der Figuren wirken zunächst unfreiwillig komisch. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Und irgendwann stellen sich unsere Sehgewohnheiten um und eine plötzliche Veränderung der Gesichtsfarbe einer Figur ergibt durchaus Sinn. Wenn dann eine dramatische Actionsequenz mitten im packenden Finale mit den gar nicht so dramatischen und ebenso wenig packenden Klängen eines Liebeslieds unterlegt wird, haben wir uns längst auch an diese Eigenart des Genres gewöhnt.
 
Auch an den visuellen Stil dieses Films gewöhnt man sich rasch. Der Look der Figuren ist nicht besonders detailliert ausgearbeitet. Amerikanische Studios animieren mittlerweile jede Faser des Gewebes der Kleidung einer Figur einzeln. In Japan werden Animefiguren immer noch nicht wesentlich aufwendiger gestaltet als in der Fernsehserie „Heidi“ aus den 70er-Jahren des letzten Jahrtausends. Aber wo Heidi damals über immer die gleiche Wiese an immer den gleichen zwei Bergen vorbeigelaufen ist, sehen die Hintergründe in diesem Film ganz anders aus. Die Stadt Tokio, wie sie die Künstler um Hiroshi Takiguchi gestaltet haben, ist die dritte Hauptfigur des Films.
 
Tokio ist hier keine strahlende moderne Metropole. Der Schmutz, die Abnutzung und vor allem der viele Regen sind nicht bloß sichtbar, sie sind beinahe fühlbar. Tausende kleine Details tragen zum realistischen Look der Hintergründe bei. Hier sehen wir nicht bloß das Logo des McDonald’s Restaurants in dem Hodaka „ein köstliches Abendessen“ genießt. Wir sehen die Logos auf Autos, auf Alltagsgegenständen, ja wir sehen sogar das DAIKIN-Logo der Klimageräte auf den Dächern. Wir sehen Kratzer und Flecken auf vielen Oberflächen. Die Filmemacher lassen uns hier eine Stadt sehen, in der sich Millionen Menschen tummeln, Räume die belebt sind, Gegenstände die ständig benutzt werden.
 
Der Ort der Handlung erinnert kaum an andere Animationsfilme. Tokio erinnert hier eher an das Los Angeles in Ridley Scott’s „Blade Runner“. Dieser Realismus der Hintergründe sollte überhaupt nicht zur eher schlichten Zeichnung der Figuren passen. Aber die visuelle Gestaltung des Films wirkt wunderbar homogen. Wie bei der Handlung ergeben auch hier die realistischen und fantastischen Elemente eine bezaubernde Mischung, die uns schnell in ihren Bann zieht. Die Story und der Look schaffen hier ein ganz großes Kinoerlebnis der anderen Art.
 
 
Fazit
 
Eine große Überraschung aus Japan: Realistisches Drama und Märchenelemente ergeben zusammen einen wunderbaren Film wie man ihn nicht alle Tage im Kino zu sehen bekommt.
 
 
 
 
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