Faking Bullshit - Kinostart: 10.09.2020

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In deutschen Filmkomödien geht es meistens um Männer ...
 
... und Frauen und warum sie so schwer zueinander finden. Alexander Schuberts Film ist da anders …
 
Auf der Suche nach der großen Liebe oder einem schnellen Fick?
 
Die fünf Beamten der Wache 23 haben ein angenehmes Leben. In ihrer Kleinstadt passiert so gut wie nie etwas. Zu viert rückt man aus um eine Katze vom Baum zu retten und muss danach zugeben, eigentlich wäre das ein Job für die Feuerwehr gewesen. Als die junge ehrgeizige Tina im Auftrag einer übergeordneten Behörde ein „ Audit“ durchführen soll, ist den Polizisten klar, ihre Wache soll geschlossen werden. Um das zu verhindern, bräuchte es in ihrem Revier ein paar echte Verbrechen. Also fangen die Beamten an, diese selbst zu inszenieren …
 
Ich habe ja eine Schwäche für alles, was irgendwie „anders“ ist. Jede Abweichung von der langweiligen Norm finde ich schon mal positiv. Mein erstes Auto fand ich cool, weil das Zündschloss in der Mittelkonsole war und nicht langweilig neben dem Lenkrad. Mein Lieblingsfilm ist „Vanishing Point“ weil darin eben nicht erklärt wird, warum der Held tut, was er tut. Und meiner Frau bin ich an dem Abend an dem ich sie das erste Mal gesehen habe nicht von der Seite gewichen, weil sie sich mit mir über europäische Geschichte unterhalten hat und nicht über mein Sternzeichen oder meinen Job. Naja, und weil sie den Körperbau eines Pin-up-Girls aus den Vierzigern hat …
 
„Faking Bullshit“ ist anders als andere deutsche Filmkomödien. Vielleicht weil es sich dabei um ein Remake eines schwedischen Films handelt („Kops“ aus dem Jahr 2003), vielleicht weil wir Erstlings-Regisseur und -Drehbuchautor Alexander Schubert vor allem aus der „heute-show“ im ZDF kennen, wo er regelmäßig den Reporter Albrecht von Humboldt gibt, der mit bewundernswerter Ernsthaftigkeit erzkonservative Standpunkte vertritt und so deren Unsinnigkeit bloßstellt.
 
Wie anders „Faking Bullshit“ ist, wird bereits in der ersten Szene klar. Was wie das typische blind-date beginnt, wird nicht bloß recht schnell zum Lehrstück über Alltagsrassismus. Wir bekommen auch in einer einzigen Szene das Psychogramm einer Frau geboten, für die es jahrelang ausgereicht hat, attraktiv zu sein und deren hohles Gewäsch noch nie infrage gestellt wurde. So etwas in einer deutschen Komödie zu sehen, ist mal wirklich „erfrischend anders“.
 
Und erfrischend anders ist auch der Look des Films. Wenn in den Amtsräumen der Provinzwache eine Zielscheibe bloß von Dartpfeilen durchlöchert zu sehen ist, wird dem Betrachter schnell klar, wie hier der Hase läuft. Eine Feier im Mehrzweckraum eines Gemeindeamts sieht genauso aus, wie man sich das vorstellt. Der Raum, in dem die Meetings der Wache abgehalten werden, wirkt herrlich deprimierend. Und selten wurde die Einsamkeit in einem Hotelzimmer auf Dienstreise so bedrückend vermittelt wie in diesem Film.
 
 
Wir haben leider schlechte Nachrichten
 
Leider begeht Erstlingsfilmemacher Schubert einen Kardinalsfehler: er will zu viel auf einmal. Die herrlich doofen inszenierten „Verbrechen“ reichen ihm nicht. Er meint, für seinen Film noch eine richtige Krimihandlung zu brauchen. Die ist aber nicht herrlich doof, sondern bloß doof. Und vor allem ist sie unnötig. Weil Schubert dann noch jeden, aber auch wirklich jeden Protagonisten seines Films ins Happy-End mit einbeziehen will, ist die Auflösung dieser Krimihandlung nicht einfach bloß doof sondern lächerlich doof.
 
Auch die Nebenhandlung mit dem politischen Aktivismus der ehrgeizigen Polizistin ergibt keinerlei Sinn. Wer bei der Polizei Karriere machen will, ist in der Freizeit nicht bei den Femen aktiv. Bei den Reichsbürgern durchaus. Und bei der AFD sowieso. Aber bei den Femen? Hier hat sich Schubert seinen Teller zu voll geladen. Und das Ganze wird dadurch nicht schmackhafter.
 
Und diese plumpen sozialkritischen Botschaften hätte der Film auch gar nicht nötig. Schubert zeigt wie viel feiner er arbeiten kann, wenn die altgediente Provinzpolizistin eine durch Testosteronüberschuss auf beiden Seiten potentiell gewalttätige Situation durch genau die richtigen Worte und genau die richtige Haltung deeskalieren lässt. Oder wenn er einen Obdachlosen erklären lässt, warum ihm die Polizei mit rein gar nichts mehr drohen kann.
 
 
Ist ja wie im Fernsehen!
 
Wie auch bei der Wache 23 ist die Hauptsache an diesem Film das Personal. Der noch recht unbekannte Erkan Acar spielt den Polizisten Deniz mit pragmatischer Chuzpe. Acar versucht nie, aus seiner Figur einen Helden zu machen und hält damit den ganzen Film zusammen. Hoffentlich sehen wir demnächst noch mehr von diesem sympathischen Darsteller.
 
Sina Tkotsch spielt die junge Polizistin Tina mal streng und ehrgeizig, dann wieder humorvoll und cool. Dabei bleibt sie immer eine moderne, selbstbewusste Frau. Die Schwächen, die ihre Figur vom Drehbuch mitbekommen hat, überspielt sie souverän.
 
Der gebürtige Pole Adrian Topol („Polinische Ostern“) brilliert vor allem in seinen Kampfsport-Fantasy-Sequenzen. Sanne Schnapp („Wickie und die starken Männer“) und Alexander Hörbe („Wolffs Revier“) geben ein liebenswert altmodisches aber dann doch modernes Polizistenehepaar.
 
Als „Scene Stealer“ bezeichnet man in der Filmsprache Nebendarsteller, die so gut sind, dass sie den Hauptdarstellern die Aufmerksamkeit des Publikums und damit im übertragenen Sinne die ganze Szene „stehlen“. Der selige Walter Brennan war als „Stumpy“ in „Rio Bravo“ einer der größten „Scene Stealer“ aller Zeiten. Bjarne Mädel („Der Tatortreiniger“) stiehlt als Obdachloser Klaus nicht bloß jede einzelne seiner Szenen. Er klemmt sich beinahe den ganzen Film unter den Arm um damit abzuhauen.
 
 
Fazit
 
Eine erfrischend andere Komödie aus Deutschland. Die überflüssige Krimihandlung und einige wenige etwas plump geratene Elemente werden von einem hervorragenden Ensemble fast völlig überspielt.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Alexander Schubert
  • Drehbuch: Alexander Schubert
  • Besetzung: Erkan Acar, Susanne Schnapp