Creed II: Rocky´s Legacy - Kinostart: 24.01.2019

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Die Fortsetzung von „Creed – Rocky’s Legacy“ ist tatsächlich vor allem eine ...
 
... Fortsetzung von „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“. Und das war sicher nicht der beste Teil der ursprünglichen Serie.
 
Fanfiction für Anfänger
 
Ich war elf Jahre alt, als ich „Rocky“ zum ersten Mal im Fernsehen sah. „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ habe ich mit zwölf im Kino gesehen und zwar gleich dreimal. Mit siebzehn hatte ich bereits eine lange Liste von Büchern über das Filmemachen gelesen. Aber selbst, wenn nicht, wäre ich von „Rocky V“ enttäuscht gewesen. Mit Dreiunddreißig Jahren habe ich geweint, als der Champ in „Rocky Balboa“ die Orte besuchte, die ihm und seiner Adrian wichtig waren. Mit zweiundvierzig war ich dankbar, in „Creed – Rocky’s Legacy“ noch einmal ein Stück des Weges mit dem italienischen Hengst gehen zu dürfen. Zusammen mit „Star Wars“ und den James-Bond-Filmen hat die Rocky-Serie die Filmwelt ebenso sehr geprägt wie sie mich geprägt hat.
 
Als Fan der Serie finde ich es natürlich reizend, wie sehr sich der neue Film mit dem wenig einfallsreichen Titel „Creed II – Rocky’s Legacy“ bemüht, den Fans möglichst viel Wiedererkennungswert zu bieten. Vor drei Jahren waren die Macher des ersten Teils von „Creed“ noch schlau genug, sich am unerreichten ersten Film von 1976 zu orientieren. Mit dem neuen Film begehen die Drehbuchautoren Sylvester Stallone Juel Taylor zusammen mit Regisseur Steven Caple Jr. aber gleich zwei schlimme Fehler. Sie orientieren sich inhaltlich und stilistisch vor allem am vierten Teil der Originalserie. Und sie bemühen sich viel zu sehr, den Fans der Serie alles zu geben, was diese sich wünschen könnten.
 
So erinnert das Drehbuch teilweise an mittelmäßige Fanfiction. Die Handlung des neuen Films folgt der Handlung des Films von 1985 streckenweise so exakt, dass man sich fragen muss, ob hier nicht ganze Passagen des alten Drehbuchs einfach kopiert und eingefügt wurden. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft Dialogpassagen aus den früheren Filmen zitiert oder zumindest variiert werden. Und gerade weil „Rocky IV“ sicher nicht das beste Drehbuch aus Stallones Feder war, ist es traurig zu sehen, wie das Drehbuch des neuen Films teilweise noch schwächer ausfällt.
 
1985 war es klar, warum Apollo den Kampf gegen den weit überlegenen Ivan Drago so folgenschwer verloren hat. Apollo hatte damals seine Glanzzeit längst hinter sich und den Kampf gegen den jungen russischen Spitzenathleten nicht ernst genug genommen. Aber im neuen Film ist Adonis gerade Weltmeister geworden. Er ist auf dem Gipfel seiner Leistungsfähigkeit. Und ganz sicher hatte er allen Grund den Kampf gegen den Sohn des Boxers, der seinen Vater getötet hatte, durchaus ernst zu nehmen. Was soll es also, wenn Adonis im ersten Kampf praktisch zerstört wird? Klar, dieses Ergebnis ist für den Spannungsbogen nötig. Aber innerhalb der Handlung ergibt das keinen Sinn. Hier wurde nur der Wiedererkennungswert bedient.
 
Und genauso verhält es sich mit einer langen Liste von Kleinigkeiten, die alle nur für die Fans in den Film geschrieben wurden und innerhalb der Handlung keinerlei Sinn ergeben. Der Auftritt Brigitte Nielsens ist lächerlich und nur interessant, weil das ehemalige Paar Nielsen und Stallone – selbstverständlich – kein einziges Mal zusammen im Bild zu sehen ist.
 
Die Wahl des Austragungsortes für den Rückkampf ist absurd. 1985 wurde innerhalb der Handlung schlüssig erklärt, warum der Kampf in der Sowjetunion stattzufinden hatte. Dieses Mal ist die Begründung lachhaft. Und wozu lässt man den Kampf im Film überhaupt in Russland stattfinden? Es ist ja nicht so, als würden wir etwas von dem Land im Film zu sehen bekommen. Vor 35 Jahren haben wir im Film einige zwar absurde, aber doch malerische Russland-Szenen zu sehen bekommen. „Creed II“ bietet nichts dergleichen.
 
Stimmig wirkt das Drehbuch nur in den Szenen rund um Rocky und die Familie von Adonis. Stallone hat sich selbst ein paar wunderbare kleine Dialogpassagen geschrieben. Und die Nebenhandlung rund um den Nachwuchs von Bianca und Adonis lässt den Film überhaupt erst interessant werden.
 
 
Just another fight
 
Ebenso wie das Drehbuch orientiert sich auch die Regie viel zu sehr am Vorbild von 1985. Das wird vor allem in den Boxszenen deutlich. Die Kämpfe sind leider nicht nur schlecht geschrieben. Sie sind auch nicht besonders gut in Szene gesetzt. Natürlich waren die Kämpfe in den Rocky-Filmen immer schon ungefähr so realistisch wie die Schusswechsel in den Filmen rund um Stallones anderen Helden, John Rambo. Aber in „Creed“ hatte man sich vor drei Jahren an dem halbwegs realistischen Stil von „Rocky Balboa“ gehalten. Diesmal hat man bei der Gestaltung der Boxkämpfe wieder die schlimmsten Unarten aus den Achtzigerjahren übernommen.
 
Zeitlupeneinstellungen werden langsamer und langsamer, bis die Faust den Kopf des Gegners in super-slow-motion trifft. Blut spritzt bereits in den Anfangsszenen jedes Kampfes. Die Soundeffekte stammen aus einem Kriegsfilm. Und jeder, aber auch jeder einzelne Schlag wird immer bloß mit dem Kopf geblockt. Wenn überhaupt.
 
Aber nicht nur visuell sind die Kämpfe wenig einfallsreich gestaltet. Die Ringrichter in Rocky-Filmen waren noch nie ihr Geld wert. Diesmal sind die Ringrichter offensichtlich blind. Von einem Ringarzt hat man in diesem Film niemals auch nur gehört. Und die Kommentare der Reporter, die wir während der Kämpfe zu hören bekommen, waren noch nie so nervtötend.
 
Auch außerhalb des Rings zeigt die Regie wenig Ideen. Die Trainingssequenz findet in der Wüste statt im Schnee statt. Aber eine kleine Krise ist schnell überwunden und so hat das Ganze mehr von einem mittelmäßigen Musikvideo als von einem echten Drama. Die entsprechenden Szenen im Film von 1985 waren zwar purer Kitsch, hatten aber eine emotionale Wucht die hier fast völlig fehlt.
 
Cuff und Link
 
Michael B. Jordan hat in Teil eins gezeigt, was er darstellerisch zu leisten vermag. Es ist sicher nicht seine Schuld, wenn er in diesem Film nur abwechselnd verwirrt und wütend spielen muss und damit die emotionale Bandbreite eines Zwölfjährigen zeigt.
 
Stallone zeigt in einigen wunderbaren Szenen, was für ein effektiver Schauspieler er sein kann. An seiner nuancierten Darstellung ist nichts auszusetzen. Dem Drehbuchautor Stallone darf man aber vorwerfen, seiner eigenen Figur die besten Szenen geschrieben zu haben.
 
Tessa Thompson hat sich als Darstellerin ebenso weiter entwickelt, wie Ihre Figur der Bianca. Ohne ihre reife Darstellung würde der Figur ihres Partners Adonis und damit dem ganzen Film der emotionale Angelpunkt fehlen.
 
Dolph Lundgrens Gesicht sieht mittlerweile aus, als hätte es ein wütender Bildhauer aus einem Gestein gehauen, das sich dagegen gewehrt hat. Leider hat er kaum gute Szenen als gescheiterter Boxer, der nun seinen Sohn trainiert.
 
Phylicia Rashad („The Cosby Show“) hat hier deutlich mehr zu tun als in Teil eins. In einigen Szenen lässt sie nur mit Blicken erkennen, wie stark man als Frau eines Kämpfers sein muss. Viel stärker als der Kämpfer selbst.
 
Cuff und Link liefern in einer kurzen Szene die reifste Darstellung ihrer langen Karriere ab.
 
 
Fazit
 
„Creed II – Rocky’s Legacy“ bietet den Fans der alten Filme alles, was diese sehen wollen. Mit etwas mehr Mut zur Eigenständigkeit hätte aus einem passablen Film ein guter Film werden können.
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Steven Caple Jr.
  • Drehbuch: Cheo Hodari Coker
  • Besetzung: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone