Solange ich atme - Kinostart: 19.04.2018

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Regisseur Andy Serkis hat die Lebens- und Liebesgeschichte der Eltern des ...
 
... Produzenten Jonathan Cavendish verfilmt. Mindestens einer der beiden hätte sich vielleicht besser ein anderes Projekt suchen sollen.
 
„What follows, is true …“
 
Robin Cavendish ist lebenslustiger junger Mann im Großbritannien der fünfziger Jahre. Die Sportskanone hat wenig Mühe Diana, eine Tochter aus gutem Hause, zu erobern. Nach der Hochzeit lebt das junge Paar in Kenia, wo Robin als Tee-Makler arbeitet. Als Diana schwanger wird, scheint das junge Glück perfekt. Doch dann wird bei Robin Polio diagnostiziert. Vom Hals abwärts gelähmt, ist er von nun an auf ständige Beatmung angewiesen. Die Ärzte geben ihm nur eine geringe Lebenserwartung und schließen aus, dass er das Krankenhaus jemals wieder verlassen kann. Robin fällt in eine tiefe Depression. Aber Diana möchte, dass ihr Sohn seinen Vater kennen lernen kann. Und Robin möchte endlich die Klinik verlassen.
 
Die Geschichte von Diana und Robin Cavendish ist sicher faszinierend. Zu einer Zeit, als es üblich war schwerbehinderte Menschen einfach bis zu ihrem frühen Tod in Kliniken zu verwahren, hat dieses Ehepaar sich für ein selbstbestimmtes Leben entschieden. Robin hat zusammen mit anderen sogar eine mobile Beatmungsmaschine entwickelt, damit er und andere Menschen mit ähnlicher Beeinträchtigung die eigenen vier Wände verlassen konnten.
 
Und Regisseur Andy Serkis erzählt uns diese Geschichte in sehr schönen Bildern. Wenn Robin seine Diana bei einem Cricketmatch kennenlernt und mit ihr anschließend durch die englische Landschaft fährt, erinnert das an die Arbeiten von Merchant und Ivory. Die Bilder des ersten Ehejahres in Kenia, mit Flügen im Doppeldecker und nächtlichem Lager in der Savanne, haben mehr als bloß einen leichten Anklang an „Out of Africa“. Claire Foy und Andrew Garfield wirken als verliebtes Ehepaar sehr glaubhaft. Wie sie zusammen jedes neue Hindernis als Abenteuer betrachten, das es gemeinsam zu bestehen gilt, ist zauberhaft anzusehen.
 
Leider bietet der Film sonst nicht viel. Wir bekommen schöne Bilder, zwei sympathische Hauptfiguren die Kraft ihrer Liebe alles zusammen meistern, … aber sollte diese Geschichte nicht auch dramatisch sein? Sicher, es ist furchtbar wenn ein lebenslustiger junger Ehemann plötzlich für den Rest seines Lebens gelähmt ist. Aber das alleine macht noch kein Drama aus. Und abgesehen von Robins Depression in der ersten Zeit nach der Diagnose, scheint das Ehepaar Cavendish kaum jemals Probleme gehabt zu haben. Ja, der behandelnde Art verweigert erst seine Zustimmung zu Robins Entlassung aus der Klinik.
 
Aber nach einer kurzen Flucht, die wie ein Stück aus einem Schelmenstück wirkt, ist dieses Thema erledigt. Mangelndes Einkommen wird in einer Szene erwähnt. Aber nachdem Diana das wunderschöne Landhaus gekauft und renoviert hat, wird davon nicht mehr gesprochen. Noch im Krankenhaus sehen wir kurz, wie Robin von einer Schwester gewaschen wird. Aber danach hören und sehen wir nichts mehr von Körperhygiene, Kathedern oder Windeln. Als Robin seiner Frau vorschlägt, sie könne sich einen Liebhaber nehmen, hätte der Film nochmal interessant werden können. Aber Diana liebt ihren Robin viel zu sehr und so wird dieser Vorschlag nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Szenen wie diese lassen erkennen, dass Produzent Jonathan Cavendish einfach nicht den nötigen Abstand zu der Geschichte hatte, um sie interessant erzählen zu lassen.
 
 
Besonders idealisiert fällt eine Szene aus, in der Robins Beatmungsgerät während einer Reise durch Spanien ausfällt. Die ganze Familie bleibt gelassen, beatmet Papa manuell weiter und campiert am Rand einer staubigen Landstraße. Kurze Zeit später finden sich Einheimische ein und alle zusammen feiern ein zwei Tage dauerndes Fest am Straßenrand. Und das alles während Robin abwechselnd von Familie, Freunden und Fremden mit dem Beatmungsbeutel mit Luft versorgt wird. Das wirkt alles ganz nett, hat aber mehr von einer Spülmittelwerbung als von einem bewegenden Drama.
 
True Love
 
Andrew Garfield kann vermutlich fast alles spielen. Er war schon ein überzeugender Spiderman. Mit seiner Leistung in „Hacksaw Ridge“ hat er schon einmal einen schwierigen Film gerettet. Und in Martin Scorseses leider kaum beachtetem „Silence“ hat er eine der anspruchsvollsten Darstellungen der letzten Jahre gezeigt.
 
Die Rolle als Robin Cavendish, der bis zu seinem Tod kaum jemals seine gute Laune und seinen Sinn für Humor verliert, kostet ihm gerade mal ein Lächeln.
 
Claire Foy hat zuletzt in Steven Soderberghs „Unsane – Ausgeliefert“ eine beachtliche Leistung gezeigt. Als Diana vermittelt sie Stärke, Zuneigung und Opferbereitschaft. Man wünscht sich, ihre Rolle hätte ihr etwas mehr zu tun gegeben.
 
Andy Serkis kennen wir bisher als den Robert De Niro des Motion-Capture. Er war Gollum, King Kong, Caesar in der „Planet der Affen“-Reihe, Snoke in Episode VII und VIII und so weiter und so fort. In seiner ersten Regiearbeit zeigt er beachtliches Talent. Man darf auf seine Realfilmversion des Dschungelbuchs gespannt sein, die ja im Laufe des Jahres rauskommen soll.
 
 
Fazit
 
„Solange ich atme“ erzählt die Geschichte von zwei beeindruckenden Menschen. Das alleine reicht aber nicht für einen beeindruckenden Film.
 
 
 
 
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Weitere Informationen

  • Autor:in: Walter Hummer
  • Regie: Andy Serkis
  • Drehbuch: William Nicholson
  • Besetzung: Andrew Garfield, Claire Foy